Ukrainische Drohnen attackieren Schwarzmeerflotte - Russland setzt Getreideabkommen aus
29.10.2022, 21:22 UhrCoup für Kiew: Mithilfe von Drohnen kann das ukrainische Militär offenbar zwei russische Schiffe der Schwarzmeerflotte beschädigen. Russland setzt als Reaktion darauf das Abkommen zum Export ukrainischen Getreides aus. In Cherson sollen russische Truppen den verbliebenen ukrainischen Zivilisten ein Ultimatum zur Evakuierung gestellt haben. Während Tschetschenenführer Kadyrow mit Vergeltung droht, soll Präsident Putin an seiner Wiederwahl arbeiten. Der 248. Kriegstag im Überblick.
Drohnenangriffe auf Schwarzmeerflotte
Bei dem Drohnenangriff am Morgen auf die russische Schwarzmeerflotte in Sewastopol auf der Krim ist Medienberichten zufolge die Fregatte "Admiral Makarow" getroffen worden. Wie schwer das Flagschiff der Flotte beschädigt ist, sei nicht bekannt, schreibt der ukrainische Journalist Andrii Tsaplienko unter Berufung auf bisher unbestätigte Informationen in seinem Telegram-Kanal. Nach Angaben eines russischen Militärbloggers wurde lediglich das Radar des Schiffes getroffen. Später bestätigte das russische Verteidigungsministerium zusätzlich, dass das Minensuchboot "Ivan Golubets" leicht beschädigt worden wäre. Von Schäden an der "Admiral Makarow" war dagegen keine Rede. Neun unbemannte Flugdrohnen und sieben Marinedrohnen seien an dem Angriff beteiligt gewesen, heißt es weiter. Alle fliegenden Drohnen seien abgeschossen worden. Zuvor hatte der Gouverneur der Halbinsel Krim, Mikhail Razvozhayev, behauptet, dass es keinerlei Schäden durch die Angriffe gegeben habe. Die Nachrichtenagentur TASS wiederum berichtete von einer schweren Explosion gegen 4.20 Uhr am Morgen.
Soldaten verkleiden sich als Zivilisten
Auch in der südukrainischen Region Cherson geraten die russischen Truppen zuletzt immer mehr ins Hintertreffen. Nach ukrainischen Angaben hätten sich russische Soldaten in der vormals 12.000-Einwohner-Stadt Beryslav im Gebiet Cherson "massenhaft Zivilkleidung angezogen und sind in Privatwohnungen eingezogen". Womöglich hoffen sie auf diesem Wege von russischen Truppen evakuiert zu werden und das schwer umkämpfte westliche Ufer des Dnipo-Flusses verlassen zu können. Dazu passt, dass Niklas Masuhr, Forscher am angesehenen Center for Security Studies der Universität ETH in Zürich, die Moral der russischen Soldaten für desolat hält. Waffen- und Materialmangel stellten die Soldaten vor dem herannahenden Winter vor erhebliche Probleme. "Für die Russen geht es noch darum, sich über den Winter einzugraben. Die Truppen seien in so schlechtem Zustand, dass nicht klar sei, ob sie das schaffen", so der Experte.
Ukraine: Russland will Cherson zwangsevakuieren
Die Evakuierung der gleichnamigen Gebietshauptstadt wurde durch russische Offizielle zwar kürzlich für beendet erklärt, nach Angaben der Zeitung "Kyiv Independent" soll es dennoch für die in Cherson verbliebenen Zivilisten ein Ultimatum geben. Sie hätten demnach zwei Tage Zeit, die Stadt zu verlassen. Im Anschluss würden sie zwangsweise auf das östliche Ufer des Dnipro umgesiedelt. Eine Bestätigung von russischer Seite gibt es dafür nicht. Parallel dazu wird der Vorwurf aufseiten der Ukraine erhoben, dass russische Truppen vor allem medizinische Einrichtungen umfassend plündern würden, Geräte und Medikamente im großen Stil in den russisch kontrollierten Teil der Region Cherson gebracht würden.
41.000 Rekruten laut Kreml im Kampfeinsatz
Um die besetzten Gebiete zu sichern, will Russlands Präsident Wladimir Putin verstärkt auf Rekruten zurückgreifen. Von den 300.000 seit September mobilisierten Kämpfern seien bereits 82.000 in der Ukraine, nur die Hälfte von ihnen aber bei Kampfeinheiten stationiert. Das gab der Kreml-Chef nun bekannt. 218.000 Soldaten würden noch in Russland trainiert. Experten des Institute for the Study of War gehen davon aus, dass 150.000 von ihnen im Laufe des Novembers in die Ukraine geschickt würden. Da sie kaum trainiert und schlecht ausgestattet seien, soll ihr Einsatz jedoch einen kaum spürbaren Effekt auf die Kampfhandlungen haben, so die Experten.
Kadyrow kündigt Vergeltungs-Operation an
Auch wenn die russischen Truppen derzeit vor allem mit defensiven Aktivitäten beschäftigt sind, kündigte der tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow laut des russischen Portals "Kommersant" die Durchführung einer "separaten speziellen Operation" unter dem Namen "Vergeltung" in der Ukraine an. Das schrieb er demnach auf seinem Telegram-Kanal. Unter wessen Leitung diese Operation steht, schrieb er nicht. Es gebe jedoch im Rahmen der Aktion bereits Verluste auf ukrainischer Seite in Richtung Mykolajiw und Kryvyi Rih.
Russland und Ukraine tauschen Kämpfer aus
Trotz der fortdauernden Kämpfe, gibt es immer wieder kleine Hoffnungsschimmer: So hat die Ukraine nach Gesprächen 50 russische Kriegsgefangene übergeben, wie das russische Verteidigungsministerium mitteilte. Zuvor hatte bereits Denis Puschilin, der von Moskau unterstützte Chef der annektierten Region Donezk erklärt, es finde ein Gefangenenaustausch mit der Ukraine statt. Demnach würden 50 Personen auf beiden Seiten ausgetauscht. Auch die ukrainischen Streitkräfte bestätigen auf Telegram: Bei einem weiteren Gefangenenaustausch seien "52 Ukrainer nach Hause zurückgekehrt".
Russland lässt Getreideabkommen platzen
An anderer Stelle sind Gespräche dagegen gescheitert. So setzt Russland seine Teilnahme am Abkommen zum Export von ukrainischen Getreide aus, wie das russische Verteidigungsministerium auf Telegram mitteilte. Begründet wurde der Schritt mit den ukrainischen Attacken auf den Hafen von Sewastopol. Angeblich seien auch Schiffe, die zum Schutz der Getreide-Konvois eingesetzt wurden, Ziel der Angriffe gewesen. Russland hatte immer wieder gedroht, das Abkommen im Fall von Terror- oder Sabotageakten platzen zu lassen. Im Zusammenhang mit diesen Attacken, die die Ukraine unter Anleitung britischer Spezialisten ausgeführt habe, könne die russische Seite nicht mehr die Sicherheit der zivilen Getreideschiffe gewährleisten, heißt es in der Mitteilung des Ministeriums. Die Vereinten Nationen, die das Abkommen mit Russland und der Ukraine auf Betreiben der Türkei mit ausgehandelt hatte, hoffen dennoch auf ein Fortbestehen. "Wir stehen mit den russischen Behörden in dieser Sache in Kontakt", hieß es von einem UN-Sprecher.
Briten sollen hinter Sabotage an Ostsee-Pipelines stehen
Großbritannien wird auch in einem anderen Zusammenhang mit russischen Vorwürfen konfrontiert. So soll es nach russischer Darstellung hinter den Sabotageakten auf die Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und 2 stehen. "Nach den vorliegenden Informationen waren Vertreter einer Einheit der britischen Marine an der Planung, Vorbereitung und Durchführung eines terroristischen Anschlags in der Ostsee am 26. September dieses Jahres beteiligt", teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Belege für die Anschuldigungen liefert es nicht. Großbritannien wies die russischen Behauptungen umgehend zurück. Das seien "falsche Behauptungen epischen Ausmaßes", sagte ein Sprecher des britischen Verteidigungsministeriums. "Diese neueste erfundene Geschichte sagt mehr über die Auseinandersetzungen innerhalb der russischen Regierung aus als über den Westen", fügte der Sprecher hinzu.
Kreml soll bereits Putins Wiederwahl 2024 vorbereiten
Das russische Exilmedium "Meduza" will derweil herausgefunden haben, dass im Kreml bereits die Vorbereitungen auf die Präsidentschaftswahl im Jahr 2024 begonnen hätten. Das hätten kremlnahe Quellen bestätigt. Demnach will Präsident Putin erneut antreten. Diesmal würde auf Gegenkandidaten verzichtet. Den gäbe es nicht mal "für die Show", soll es von den Informanten heißen. Putins Kampagne solle sich laut der Angaben hauptsächlich auf antiwestliche Narrative konzentrieren.
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