Angriff auf NATO denkbarGauck hält Russland für die "langfristig größte Bedrohung"
05.12.2024, 20:29 UhrArtikel anhörenEinmal mehr findet der frühere Bundespräsident Gauck deutliche Worte zu Russland. Das Land sei inzwischen ganz auf Krieg ausgerichtet. Forderungen, die Hilfen für die Ukraine zu reduzieren, entsprächen Moskaus Propaganda. Kiew zu helfen sei moralische Pflicht und strategisch nötig.
Russland bleibt nach Worten des früheren Bundespräsidenten Joachim Gauck langfristig die "größte und unmittelbarste Bedrohung" für die Sicherheit Deutschlands und des Westens. Seit vielen Jahren schon agiere Kremlchef Wladimir Putin in der internationalen Politik "mit offener Aggression, neoimperialer Gewalt und hybrider Kriegsführung", sagte der 84-Jährige bei der Verleihung des Benediktpreises in Mönchengladbach laut Redemanuskript. Putins Angriff gelte aktuell der Ukraine - "auf längere Hinsicht hingegen dem gesamten Westen", warnte Gauck.
Russland habe seine Wirtschaft und Gesellschaft inzwischen ganz auf Krieg ausgerichtet. "In fünf bis acht Jahren dürfte es personell und materiell zu einem Angriff auf die NATO in der Lage sein", sagte er weiter. Schon jetzt versuche der Kreml, ganz ohne uniformierte Truppen die offenen Gesellschaften des Westens zu beeinflussen. Dazu gehörten Spionage und Sabotage, Cyberattacken auf Institutionen, Parteien und Personen sowie Desinformation.
Gauck bezeichnete Forderungen nach einem Ende der westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine und einem schnellen Friedensschluss mit Russland als "Erzählungen, die vom Geist der Unterwerfung infiziert sind und sich trefflich in die russische Staatspropaganda einfügen".
Putin sei es in der Ukraine nie um ernsthafte Verhandlungen gegangen. "Sein Ziel bleibt die vollständige Unterwerfung. Er will einen Vasallenstaat", sagte der evangelische Theologe. "Ein Frieden zugunsten Putins eröffnet dann keine Nachkriegszeit, sondern eine Vorkriegszeit." Die entschlossene Unterstützung des Westens für die Ukraine sei nicht nur eine moralische Pflicht, sondern eine strategische Notwendigkeit für Deutschland und Europa.
Zu lange sei Deutschland zu arglos gegenüber Russland gewesen, kritisierte Gauck. "Über Jahrzehnte war die deutsche Russlandpolitik von Fehleinschätzungen geprägt, von denen wir uns bis heute weiter befreien müssen."
Der Benediktpreis von Mönchengladbach wird für wertorientiertes und vor dem Hintergrund der christlichen-abendländischen Erfahrungen in besonderer Weise herausragendes Handeln verliehen. Preisträger waren unter anderem der Initiator des Stolpersteine-Projekts, Gunter Demnig, die Journalistin Dunja Hayali und Königin Silvia von Schweden. Die Laudatio auf Gauck hielt NRW- Ministerpräsident Hendrik Wüst. Gauck war von 2012 bis 2017 Staatsoberhaupt. Der gebürtige Rostocker war der erste und bislang einzige Ostdeutsche in diesem Amt