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Heute jährt sich der Todestag des ökonomisch bedeutsamsten Politikers des 20. Jahrhunderts – ohne dass ihm irgendwo im Westen gedacht würde. Die Rede ist von Deng Xiaoping, dem Erfinder und Erbauer des modernen, des halb-kapitalistischen Chinas. Der von Mao Zedong zunächst geschätzte und geförderte, dann allerdings verfemte und verfolgte Kommunist, stieg wenige Monate nach dem Tod seines Peinigers im Alter von mittlerweile 74 Jahren zum Staats- und Parteichef auf. „Völker der Welt, vereinigt euch, besiegt die USA Aggressoren und alle ihre Lakaien“, das stand Jahre lang auf dem Spruchband, das ausländische Gäste am Pekinger Flughafen empfing. „Ein Weltkrieg der Weltdörfer gegen die Weltstädte“ hatte noch kurz vor Dengs Machtantritt der chinesische Verteidigungsminister den Amerikanern angedroht. Unter Deng folgte die große Schneeschmelze. Die Aggressoren wurden hereingewunken und die Flughafentransparente eingerollt. Nicht als Freunde, wohl aber als Geschäftspartner waren die Manager des Westens fortan willkommen. Die Normalisierung der Beziehung zu den USA bildet die Grundlage für den Aufstieg der chinesischen Exportindustrie. Deng beendete die Gleichmacherei der Mao-Jahre, den Kult der Askese, er setzte auf die Triebkräfte des Egoismus, auf die Sehnsucht nach der Unterscheidbarkeit von Menschen. „Der Zweck des Sozialismus ist es, das Land reich und stark zu machen“, sagte er. Wobei der Reichtum des Landes für ihn nur denkbar war, wenn auch der Einzelne reich werden durfte. Was Jahre später unter Ronald Reagan dann als „trickle down effect“ bezeichnet wurde, hat Deng in seiner Zeit so formuliert: „Lasst einige schneller reich werden, damit sie dann den anderen helfen.“ Ihm sei’s egal, ob die Katze schwarz oder weiß sei, Hauptsache, sie fange Mäuse. Deng fand das richtige Maß an Tiefe und Tempo der Reform. Er hat die Chinesen gefordert, aber nicht überfordert. Die Parteikader wurden heruntergestuft, aber nicht davon gejagt. Er hat das Land geöffnet, aber nicht für alle. Die Waren wurden frei, die Währung nicht. Die heutige Weltwirtschaftsmacht China ist sein Werk. |
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Die Schattenseite darf auch an seinem Todestag nicht übersehen werden; die Privatwirtschaft erhielt freies Geleit, die Demokratie aber blieb ausgesperrt. Als aufmüpfige Studenten sich am 4. Juni 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens versammelten, lies Deng die Panzer rollen. Das ist der Blutspritzer auf seinem Anzug. Fast 20 Jahre hielt sich der Winzling, dessen Vorname Xiaoping ein Tarnname aus Revolutionstagen war und übersetzt „kleine Flasche“ bedeutet, an der Spitze des Riesenreiches. Der Tod beendete seine Amtszeit am Abend des 19. Februar 1997. Weil er den Personenkult der Kommunistischen Einheitspartei hasste, lehnte er die Idee einiger Parteifreunde ab, ihn nach dem Tode in einem Mausoleum aufzubewahren. Er ließ seine Asche mit dem Flugzeug über dem Meer verstreuen. |
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