Mittwoch, 30. Juni 2021

anlässlich des todes von Rumsfeld

 

Andere mögliche Kriegsgründe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erdölinteressen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Irak verfügt, nach Saudi-Arabien, über die zweitgrößten Erdölreserven der Region. Schon vor Kriegsbeginn vermuteten politische Beobachter und Journalisten, die US-Regierung wolle eine pro-amerikanische Regierung im Irak einsetzen, um den Interessen der einflussreichen US-amerikanischen Erdölindustrie entgegenzukommen, die Ölversorgung der USA sicherzustellen und deren Einfluss in der OPEC zu stärken. Die US-Regierung bestritt dies von Anfang an.

Laut Paul O’Neill malte Rumsfeld bei der NSC-Sitzung am 30. Januar 2001 die Vorteile eines von den USA abhängigen Iraks aus, darunter Zugang und eventuell Kontrolle seiner Ölfelder. Er habe betont, er strebe nicht den Regimewechsel, sondern die so mögliche Kontrolle der Massenvernichtungsmittel an. Die ihm unterstellte Defense Intelligence Agency bereitete detaillierte Landkarten mit irakischen Ölfeldern, Pipelines und Listen von nationalen und internationalen Vertragspartnern zu ihrer künftigen Ausbeutung vor.[10] Anfang Februar gründete Cheney im Auftrag Bushs eine Energy Task Force. Diese traf sich regelmäßig mit Lobbyisten der amerikanischen Ölindustrie, ohne den US-Kongress darüber zu informieren. Am 3. Februar 2001 befahl Bush dem NSC, mit dieser Lobbygruppe zusammenzuarbeiten. Seine Regierung betrachtete den Zugang zu neuen Ölfeldern also gemäß der Carter-Doktrin von 1980 als Problem der nationalen Sicherheit.[126]

Der Ökonom Joseph E. Stiglitz erklärte vor dem Krieg: Zwar sei der Einfluss von Ölinteressen auf Präsident Bush unbestreitbar, wie seine Energiepolitik und Förderung der heimischen Ölindustrie zeige. Doch die Folgen des Irakkrieges für den Ölpreis seien unberechenbar. Falls ein demokratisches Regime eingesetzt werde, könne dieses die Ölförderung des Irak stark ausweiten, um Mittel für den Wiederaufbau einzunehmen. Das würde den Ölpreis stark senken und so die Ölindustrie der USA wie auch anderer ölexportierender Staaten in den Ruin treiben. Oder Aufruhr in der muslimischen Welt könne die Ölversorgung der USA aus dieser Region kappen und so den Ölpreis erhöhen. Dies könne wie bei der Ölkrise 1973 enorme negative Folgen für die Weltwirtschaft haben.[127]

Auch der spätere Nobelpreisträger William Nordhaus argumentierte im Januar 2003, dass aus ökonomischer Sicht „Öl kein wesentlicher Kriegsgrund“ sein könne.[128]

Tatsächlich hatte sich die Menge an importiertem Öl aus dem Irak in die USA, im Vergleich zu Vorkriegsjahren, nicht signifikant verändert.[129] Seit 1997 sinken die Netto-Importe von Rohöl in die USA.[130]

Ungeachtet dieser Fakten sah Elmar Altvater dennoch die Motive für die Invasion in der Sicherung der strategischen Ölversorgung der USA. Durch das sich abzeichnende Überschreiten des globalen Ölfördermaximums bei weltweit steigendem Verbrauch habe dieses Ziel an Dringlichkeit zugenommen. Altvater weist darauf hin, dass Vizepräsident Cheney im Mai 2001 einen Bericht vorlegte, der einen um 68 % erhöhten US-amerikanischen Importbedarf für das Jahr 2020 ausweist. Durch die Besatzung des Landes solle dieser gesteigerte Bedarf gedeckt und gleichzeitig Konkurrenten der Zugang zu den irakischen Ölfeldern verwehrt bleiben.[131]

Tatsächlich engagierten sich bei der Versteigerung der Ölrechte im Irak kaum amerikanische Bieter; Zuschläge erhielten vielmehr Firmen aus China und Russland.[132]

Der Politologe Herfried Münkler argumentiert demgegenüber, die USA hätten schon im Kuwait-Krieg dafür interveniert, dass der Ölpreis auf dem Weltmarkt festgelegt werde. Das sei etwas anderes als das klassische imperialistische Interesse, eine zentrale Ressource unter die politische Verfügung zu bringen. Wäre es den USA nur darum gegangen, den Weltmarktpreis für Öl kurzfristig zu drücken, hätten sie das am ehesten mit einer Beendigung des Irak-Embargos erreichen können.[133] Andere Sicherheitsexperten zogen den Schluss, dass der „Griff nach dem Öl“, wie Kritiker den Irakkrieg auch nannten, hinsichtlich eines möglichen Embargos zu riskant und langfristig sogar kontraproduktiv sei. Auch der Politikwissenschaftler Stephan Bierling hält die Annahme für widerlegt, die Invasion habe die Ölreserven des Irak unter Kontrolle der USA bringen sollen, weil die amerikanischen Ölkonzerne auf eine „Aufhebung der US- und UN-Sanktionen“ gedrängt hätten.[134] Der zentrale Kriegsgrund seien nicht konkrete wirtschaftliche und geostrategische Interessen gewesen, sondern, „durch eine Demonstration der eigenen Macht ein Exempel zu statuieren und nach den Anschlägen vom 11. September das Risikokalkül aller potentiellen Feinde der USA zu verändern“. Der Irak sei dazu der „einfachste Gegner“ gewesen, da schon „16 Resolutionen des Sicherheitsrates“ gegen ihn ergangen waren und er leichter besiegbar schien als etwa Nordkorea oder der Iran.[135]

Tatsächlich haben die USA zehn Jahre nach Beginn des Irakkriegs keinen einzigen bedeutenden Ölvertrag mit Bagdad mehr. Der Spiegel kommentiert: „Die USA, die einst beschuldigt wurden, im Irak einen Ressourcenkrieg geführt zu haben (‚Blut für Öl‘), spielen künftig in dem rohstoffreichen Land wohl nur noch eine schwindende Rolle. China nutzt diese Schwäche – und setzt sich dabei über die Iraker hinweg.“[136]

Dollarwährungsinteressen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Petrodollar-Theorie zufolge habe die Absicht Saddam Husseins, künftig nur noch den Euro anstelle des Dollars für Öllieferungen zu akzeptieren, maßgeblich die Kriegsentscheidung beeinflusst. Wären andere Länder diesem Beispiel gefolgt, so hätte dies fatale Konsequenzen für die USA gehabt. Deutschland und Frankreich hingegen hätten als Euro-Staaten davon profitiert – sie verweigerten die Kriegsteilnahme.[137] Im Mai 2003, nach dem Sieg der USA, verabschiedete die OPEC einen förmlichen Beschluss, die Ölrechnungen auch zukünftig in Dollar abzurechnen.

Privatwirtschaftliche Interessen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Während die hohen Kosten der Antiterrorkriege die Wirtschaft der USA insgesamt erheblich schwächten, erzielten einige private Unternehmen durch Aufträge der US-Regierung für Kriegsgebiete enorme Gewinne. Die vom US-Kongress eingesetzte parteiübergreifende Commission on Wartime Contracting nannte in ihrem Ergebnisbericht 2011 vor allem zehn Firmen, die Milliarden US-Dollar für ihre Tätigkeit in Afghanistan und im Irak erhalten hatten. Kellogg, Brown and Root, damals ein Subunternehmen der Firma Halliburton, erhielt bereits vor 2001 vom damaligen US-Verteidigungsminister Richard Cheney einen Auftrag über 48 Milliarden US-Dollar für künftige militärische Hilfsdienste. Die Firmen Blackwater und Triple Canopy erhielten mindestens 3,1 Milliarden US-Dollar.

Eine vom Kongress eingesetzte Inspektion der Mittel der USA für den Wiederaufbau des Irak ergab, dass mindestens acht Milliarden US-Dollar davon durch Korruption verschwendet wurden. Viele Verträge mit im Irak engagierten Privatfirmen kamen ohne Ausschreibungen und konkurrierende Bewerbungen zustande. Viele der großen Vertragsfirmen waren die größten Spender für Wahlkämpfe von US-Präsident George W. Bush und von Kongressabgeordneten, die den Irakkrieg befürworteten.[138]

Geostrategische Interessen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

2010 wurde vom stellvertretenden US-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz in einem Interview ein weiterer Kriegsgrund genannt. Demnach gab es „bürokratische Gründe“, die Präsenz von US-Truppen im benachbarten Saudi-Arabien überflüssig zu machen. Mit Kuwait, Bahrain und Katar hatten die USA bereits drei Basen am Golf, deren Management einfacher war als jenes in Saudi-Arabien, und die Beseitigung der stationierten Truppen, die eine Belastung für Saudi-Arabien darstellten, würde langfristig zu einer friedlicheren Situation im Nahen Osten führen.[139][140]

Es wird auch ein Zusammenhang zu der Stellung Israels als Verbündeter der USA und dominante Partei im Nahost-Konflikt gesehen,[141] da Israel durch den Regimesturz von einer Bedrohung befreit worden wäre.[142] Als konkreter Bezugspunkt wird auch die durch das Saddam-Regime gezahlte Entschädigung für die Hinterbliebenen von palästinensischen Selbstmordattentätern genannt, deren Häuser, wenn sie zuvor Israel mit Raketen und sonstigen Waffen beschossen hatten, von den israelischen Besatzungstruppen zerstört wurden.[143]

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

1 finger