Die US-Notenbank hofft nicht mehr auf eine schnell abklingende Inflation. Fed-Chef Powell stimmt Finanzmärkte zugleich darauf ein, dass die lockere Geldpolitik früher enden könnte als zunächst gedacht. Die milliardenschweren Wertpapier-Zukäufe müssten dann schneller heruntergefahren werden.
Angesichts der hohen Inflation fasst die US-Notenbank Fed einen schnelleren Abbau ihrer Anleihenkäufe auf dem Weg zu einer Zinserhöhung ins Auge. Es sei angemessen, darüber nachzudenken, den als Tapering bekannten Prozess einige Monate früher abzuschließen, sagte Fed-Chef Jerome Powell vor einem Kongressausschuss. Die Wirtschaft sei sehr stark und zugleich der Inflationsdruck hoch. "Und ich denke, das Risiko höherer Inflation hat zugenommen", sagte Powell.
Die Federal Reserve fährt ihre Wertpapier-Zukäufe seit Mitte November um monatlich 15 Milliarden Dollar zurück. Das gesamte Ankaufvolumen von zuletzt 120 Milliarden Dollar monatlich könnte somit bis Mitte nächsten Jahres abgeschmolzen sein. Dies gilt als Voraussetzung für eine Zinserhöhung. Doch behielt sich die Notenbank ausdrücklich vor, das Tempo bei Bedarf zu erhöhen oder auch zu senken.
Der scheidende Fed-Vize Richard Clarida hatte bereits signalisiert, dass ein beschleunigtes Tapering angesichts der erhöhten Inflationsgefahren auf der Zinssitzung im Dezember zur Sprache kommen könnte. Fed-Direktor Christopher Waller wurde noch konkreter und forderte eine Verdoppelung des Abbau-Tempos. Dann könnte die Fed ihre Anleihenkäufe bereits im April abgeschmolzen haben. Dies würde den Weg für eine Zinserhöhung im zweiten Quartal freimachen.
Die Fed hält den Leitzins derzeit in einer Spanne von null bis 0,25 Prozent. Das bevorzugte Inflationsmaß der Fed sind die persönlichen Ausgaben der Verbraucher, bei denen Energie- und Nahrungsmittelkosten ausgeklammert bleiben. Diese Jahresteuerungsrate lag im Oktober bei 4,1 Prozent und damit weit über dem von der Notenbank Federal Reserve angestrebten Niveau von zwei Prozent. Powell sagte, er rechne noch bis Mitte nächsten Jahres mit hoher Inflation. Zugleich signalisierte er, dass sich die Fed von der Formulierung verabschieden dürfte, dass die Inflation vorübergehend se
Blinken says attack would trigger ‘serious consequences’
U.K. says it will assist Ukraine as NATO ministers meet
President Vladimir Putin warned the West not to cross the Kremlin’s security “red line” as the U.S. and the U.K. said any Russian incursion into Ukraine would trigger serious diplomatic and economic responses.
Expansion of western military infrastructure into Ukraine would leave Moscow exposed to the risk of attack in as little as five minutes “if supersonic weapons are placed there,” Putin said Tuesday in a videoconference at the VTB Russia Calling! forum in Moscow. “Then we will have to create something similar to those who threaten us and we can already do that now.”
Russia will have a sea-based hypersonic missile capable of traveling at nine times the speed of sound from the start of the year and “the flight time to those who give out such orders will also be five minutes,” Putin said. “This creation of such threats for us is the red line.”
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The Kremlin leader showed little sign of heeding the growing chorus of calls from the U.S. and its allies to dial back tensions over Ukraine. The U.S. has shared intelligence with European allies showing Russia massing troops and artillery near its border with Ukraine, saying the deployment could be a prelude for an invasion early next year. Putin has denied any such plan and accuses the U.S. and its allies of provocative actions against Russia.
U.S. Secretary of State Antony Blinken said Tuesday at a news conference in Latvia ahead of a North Atlantic Treaty Organization meeting that any Russian attack “will trigger serious consequences.”
Boris Johnson’s government issued its own warning that the U.K. would use “all diplomatic and economic levers at our disposal” to avert the threat.
“We will support Ukraine and stability in the Western Balkans, to safeguard their security and build their economic resilience,” Foreign Secretary Liz Truss said in a statement Tuesday, as she attends the NATO meeting in Latvia.
“We have seen this playbook from the Kremlin before when Russia falsely claimed its illegal annexation of Crimea was a response to NATO aggression,” she said. “Any suggestion that NATO is provoking the Russians is clearly false.”
NATO Secretary General Jens Stoltenberg said before the Riga talks that Russia would pay “a high price” if it used force against Ukraine. Asked by reporters what he meant and whether he ruled out military intervention, Stoltenberg said: “We have different options.”
He mentioned the use, in answer to Russia’s earlier resorting to military force against Ukraine, of “heavy economic and financial sanctions, political sanctions, and also the fact that we have increased our presence here, in the region, both in the Black Sea region and in the Baltic region, in the air, on land and at sea.”
Putin noted that the U.S. and its allies raised similar concerns about a Russian build-up of forces near Ukraine in the spring, though nothing came of it.
The question isn’t whether to fight or not, but “to take into account the security interests of all participants in international activities,” Putin said. “If we sincerely strive for this, then no one will experience any threats.”
Russia seized Crimea in 2014 and has backed separatists in eastern Ukraine in a conflict with the Kyiv government that has killed more than 13,000 so far.
The European Union said it is working to arrange a meeting between the bloc’s foreign policy chief Josep Borrell and Russian Foreign Minister Sergei Lavrov, with a spokesperson warning Russia against violations of Ukraine’s sovereignty or territorial integrity.
— With assistance by Henry Meyer, Lyubov Pronina, John Follain, and Aaron Eglitis
Aufmarsch nahe UkraineBlinken und Maas warnen Moskau
Mehr als 100.000 Soldaten hat Russland an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen. Das sorgt nicht nur in Kiew, sondern auch in Riga für Unruhen. Dort treffen sich die NATO-Außenminister. Maas und Blinken warnen Moskau.
Deutschland und die USA haben Russland vor einem Angriff auf die Ukraine gewarnt. "Für jegliche Form von Aggression müsste Russland einen hohen Preis zahlen", erklärte der geschäftsführende Bundesaußenminister Heiko Maas zu Beratungen mit NATO-Kollegen in der lettischen Hauptstadt Riga. US-Außenminister Antony Blinken sagte, "jede neue Aggression würde schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen".
Hintergrund der Äußerungen der Politiker sind Erkenntnisse der NATO, nach denen Russland in der Nähe der Grenze zur Ukraine erneut ungewöhnlich große Truppenkontingente und moderne Waffen zusammengezogen hat. "Die militärischen Aktivitäten Russlands an der Grenze zur Ukraine geben uns Anlass zu größter Sorge", kommentierte der geschäftsführend amtierende SPD-Politiker Maas. Wichtig seien jetzt ehrliche und nachhaltige Schritte zur Deeskalation, die nur über den Weg von Gesprächen führten. "Ich werde nicht müde zu betonen, dass die Tür zu solchen Gesprächen für Russland weiter offensteht", ergänzte er.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bezeichnete die Situation ebenfalls als besorgniserregend und nannte Russlands außenpolitisches Agieren "aggressiv". Lettlands Außenminister Edgars Rinkevics sagte, die jüngsten Ereignisse seien Erinnerungen daran, dass Russland weiterhin eine Bedrohung darstelle. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hatte am Vortag in Kiew von 115.000 russischen Soldaten an der gemeinsamen Grenze gesprochen.
Neue Wirtschaftssanktionen denkbar
Wie eine Reaktion der NATO auf weitere Aggressionen Russland gegen die Ukraine aussehen könnten, ließen Maas und Blinken offen. Denkbar sind beispielsweise harte neue Wirtschaftssanktionen der Bündnisstaaten. Ein militärisches Eingreifen in den Konflikt gilt wegen der Gefahr eines großen Krieges als unwahrscheinlich. Was die Gründe für den massiven russischen Truppenaufmarsch in der Nähe der Ukraine sind, ist unklar. Die Regierung in Moskau behauptet, dass von Russland keine Gefahr ausgehe, und argumentiert, dass sie auf russischem Staatsgebiet Truppen nach eigenem Ermessen bewegen könne.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow kritisierte zudem einmal mehr die Militärpräsenz westlicher Staaten an der russischen Grenze. Es seien Tatsachen, dass Länder Truppen und militärisches Gerät in großer Zahl aus Übersee "an unsere Grenzen bringen, (...) und die Vereinigten Staaten uns von allen Seiten mit ihren Militärstützpunkten eingekreist haben". Diese "Fakten" kenne "höchstwahrscheinlich jedes Schulkind", sagte er der Staatsagentur Tass zufolge. Dennoch werde ständig Hysterie geschürt.
Die britische Außenministerin Liz Truss sagte zu Vorwürfen dieser Art, jede Unterstellung, dass die NATO die Russen provoziere, sei offensichtlich falsch. Das Bündnis beruhe auf dem Grundsatz der Verteidigung und nicht dem Prinzip der Provokation. Sie warnte Russland mit Blick auf die Ukraine davor, einen "strategischen Fehler" zu begehen. Denkbar ist unterdessen auch, dass der russische Truppenaufmarsch in Verbindung mit dem NATO-Treffen in Lettland steht. Zum ersten Mal wird eine Tagung der NATO-Außenminister in dem direkt an Russland grenzenden Bündnisstaat organisiert. Lettland und die anderen zwei Baltenstaaten Estland und Litauen waren dem Bündnis 2004 trotz scharfer Kritik Moskaus beigetreten.
Afghanistan soll aufgearbeitet werden
Zu der Frage, ob das Militärbündnis erwarte, dass Moskau die Ukraine weiter destabilisieren wolle, verwies NATO-Generalsekretär Stoltenberg jüngst darauf, dass Russland bereits bei der Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim und bei der Unterstützung der Separatisten in der ostukrainischen Region Donbass gezeigt habe, dass es den Willen und die Fähigkeiten habe, militärische Gewalt einzusetzen.
Thema der zweitägigen NATO-Beratungen sind neben der Lage im Osten des Bündnisses die laufenden Arbeiten an einem neuen strategischen Konzept für das Bündnis und die Aufarbeitung des in einem Debakel geendeten Afghanistan-Einsatzes. "Als erste internationale Organisation hat die NATO ihre Rolle in Afghanistan gründlich in einem internen Prozess analysiert. Das ist ein wichtiger Meilenstein bei der umfassenden Aufarbeitung des Afghanistan-Engagements der internationalen Gemeinschaft und entscheidend dafür, dass wir die nötigen Lehren ziehen", erklärte Maas zu dem Thema. Dabei gehe es auch um die Frage der strategischen Geduld.
In Afghanistan hatten kurze Zeit nach dem Ende der NATO-Militärpräsenz in dem Land die Taliban die Macht zurückerobert. Ziel des knapp zwei Jahrzehnte dauernden Einsatzes war es eigentlich gewesen, genau das zu verhindern. Davor hatten die Taliban dem internationalen Terrorismus Unterschlupf geboten. So wurden die Anschläge, die am 11. September 2001 die USA trafen, in Afghanistan vorbereitet.
Die Methoden sind dubios, die Partner halbseiden. Die Manager des Gazprom-Konzerns überziehen Europa mit einem Netz von Tarnfirmen - auch zum eigenen Vorteil?
Von Hans-Martin Tillack
Dies ist die Geschichte einer Invasion. Eines gewaltigen Feldzugs, von langer Hand geplant. Der Generalstab sitzt weit im Osten, in Moskau, der Hauptstadt Russlands. Das Zielgebiet ist Deutschland - und das restliche Westeuropa. Es geht bei dieser Invasion um Gas. Aber mehr noch um eine große Menge Geld. Um sehr viel Geld für sehr wenige. Und zwar für Menschen, die größten Wert darauf legen, nicht bekannt zu werden. Es ist die Geschichte von Gazprom, dem russischen Gasriesen. 180 Milliarden Euro beträgt sein Börsenwert, gut doppelt so viel wie der von Siemens. Gazprom ist der größte Konzern Europas - und zugleich der am schwersten zu durchschauende. Verschleierung scheint Geschäftsprinzip zu sein.
Für Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) war es eine "Ehrensache", für 250.000 Euro jährlich einen Posten im Aktionärsausschuss der Gazprom-Tochter Nord Stream anzunehmen. Dies sei, sagt Schröder, im Interesse "unseres Landes und Europas". In der Geschichte dieser Invasion wimmelt es jedenfalls von alten Stasi-Leuten und halbseidenen Figuren. Es geht um Briefkastenfirmen, die nicht einmal einen Briefkasten haben, um ineinander verschachtelte Firmen und Unterfirmen, die vor allem eins bewirken: Sie verbergen Geldflüsse. Gazoviki werden die Gazprom-Manager in Russland genannt. Viele von ihnen kommen vom KGB oder aus dem sonstigen Freundeskreis des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Weil sie wegen der staatlich verordneten Niedrigpreise im eigenen Land nur Verluste machen, müssen die Gazoviki ran an die europäischen Endverbraucher. "Downstream" nennen das Insider. "Im Downstream kann man größere Gewinne erzielen", sagt der Energieexperte Andreas Heinrich.
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Gazprom- Invasion gibt Rätsel auf
Die Invasoren sind bereits weit vorangekommen. Gazprom-Gas hat einen Marktanteil von mehr als 40 Prozent, auf 60 Prozent kann der Wert in den nächsten Jahren steigen. Andere Staaten, wie Finnland, sind sogar zu 100 Prozent von den Lieferungen abhängig. In der Berliner Markgrafenstraße haben die Gazoviki ihren ersten Brückenkopf etabliert. Hier residiert die deutsche Tochter Gazprom Germania. Mit Eon und BASF sitzen auch die beiden wichtigsten Partner des Staatskonzerns in Deutschland. Gemeinsam mit Gazprom bauen sie eine sechs Milliarden Euro teure Pipeline durch die Ostsee, 2010 soll sie fertig sein. Unter dem ehemaligen DDR-Gasfunktionär Hans-Joachim Gornig hat Gazprom Germania für die Moskauer Bosse ein verzweigtes Netz von Beteiligungen in ganz Europa aufgebaut. Zur Imagepflege investiert Gazprom Germania Riesensummen, bis zu 125 Millionen Euro für den Bundesligisten Schalke 04 etwa. Wenn Gerüchte über einen Einstieg bei RWE oder Ruhrgas auftauchen, schrillen in Deutschland die Alarmglocken. Nicht ohne Grund. "Es ist sehr schwer, eine Firma zu finden, die nicht auf unserer Watchlist steht", sagt Gazprom-Vize Alexander Medwedjew.
Einige Beteiligungen haben nur wenig mit dem Kerngeschäft zu tun - wie die Mini-Tochter ZMB Mobil im brandenburgischen Möthlow. Sie betreibt mit sieben Mitarbeitern eine Kfz-Werkstatt, die auch Autos von Benzin auf Gas umrüstet. Aber warum investiert Gazprom sechsstellige Euro-Beträge ausgerechnet in einem 194- Einwohner-Dorf, zwischen freilaufenden Hühnern und verfallenden LPG-Ställen? Schon der sichtbare Teil der Gazprom- Invasion gibt Rätsel auf, aber auch ein weniger sichtbarer. Archbishop Makarios III Avenue 199 im zypriotischen Limassol: Kein Firmenschild und kein Briefkasten verraten es, aber hier verbirgt sich eine zentrale Schaltstelle im mysteriösen Geflecht der Gazprom-Firmen. In dem unauffälligen dreistöckigen Gebäude mit Ziegeldach sitzt die Centrex Group Holding. Sie besitzt 100 Prozent der 2003 gegründeten Wiener Centrex- Gruppe, die seit 2006 österreichische Kunden mit russischem Erdgas beliefert. Für 2007 erwartet Centrex bereits einen Gas-Umsatz von 265 Millionen Euro.
Abenteuerliche Konstruktionen erlauben es, Geld zu verstecken
Man habe "enge persönliche Beziehungen zu Führungskräften von Gazprom", sagte ein Centrex-Manager im August 2005 Kartellexperten der EU-Kommission. Centrex steht sogar an der Spitze des Gazprom- Vormarsches in Westeuropa - nur dass die beiden Unternehmen die Liaison nicht immer offen zugeben. Zwischen die Gazprom-Zentrale und das operative Centrex-Geschäft in Wien schalteten die russischen Manager zahlreiche weitere Gesellschaften - via Limassol, Liechtenstein, Nikosia und Amsterdam. Erst ganz am Ende führt die Spur nach Moskau (siehe Grafik Seite 183). Aber warum? Was die Gazoviki in Zypern oder Liechtenstein an Steuern sparen, geht für die kaskadenartige Struktur wieder drauf. "Da verrauchen Kosten sinnlos", sagt der Wirtschaftskriminalist Helmut Görling. "Wenn eine Gesellschaftsstruktur zu kompliziert wird, ist das erklärungsbedürftig. Wenn man die Notwendigkeit nicht erkennen kann, wird es verdächtig. Die Liechtensteiner IDF etwa wurde nur 16 Tage, bevor sie Centrex kaufte, gegründet - unter bemerkenswerten Umständen. Als IDF-Gründer trat zunächst die Zürcher Multina AG auf, vollständig im Besitz eines Schweizer Anwalts namens Hans Baumgartner. Nachdem die Konzession erteilt war, kaufte eine zypriotische Firma namens Siritia Ventures Limited alle Aktien.
Siritia hat in Nikosia zwar eine Adresse am Sitz einer Anwaltskanzlei, viel mehr aber auch nicht. Die offizielle Siritia-Mutter Rubin wiederum ist an der angegebenen Adresse in Moskau nicht auffindbar. Noch 2005 führte die Gazprombank sie offiziell als Tochter auf. Eine Firma dieses Namens sei ihr nicht bekannt, verkündete die Bank jetzt auf Anfrage des stern. Auf welchem Weg Gazprom dann die Töchter in Zypern und Wien kontrolliert, bleibt rätselhaft. Solch abenteuerliche Konstruktionen machen es fast unmöglich, den Weg des Geldes zu verfolgen. Sie erlauben es, Geld zu verstecken - zum Beispiel vor den westlichen Gazprom-Teilhabern, die seit Jahren über die undurchsichtige Geschäftspolitik des Konzerns klagen. Auch Eon hält 6,4 Prozent der Gazprom-Aktien. "Wenn ich Aktionär wäre, würde ich fragen, was auf diesen Stufen abfließt, bevor der Gewinn oben ankommt", sagt Wirtschaftskriminalist Görling. "Die Konzernzentrale hat ja Durchgriff auf die verschiedenen Kaskaden und kann da jederzeit einen Berater reinschieben." In der Tat scheinen im Centrex-Geflecht beträchtliche Summen zu versickern - zum Beispiel Millionen Euro allein für "Beratungskosten". So im Mai 2005 für ein "Consultancy Agreement" mit einem Ex- Mitarbeiter des großen britischen Centrica- Konzerns, für dessen Kauf sich Gazprom kurz darauf interessierte. Centrex sagt, alle Aufträge an Dienstleister seien "lückenlos" dokumentiert und "geprüft".
Bei den Gazprom-Aktionären kam jedenfalls praktisch nichts an. 2006 schüttete Centrex Wien bei 47 Millionen Euro Gewinn null Dividende aus. Centrex-Mutter IDF wiederum zahlte weder für 2004 noch 2005 irgendeine Dividende aus - und für 2006 lumpige 100.000 Schweizer Franken. Im verschwiegenen Fürstentum Liechtenstein machten einige aber sehr wohl das Geschäft ihres Lebens. Denn die IDF hat für die Aktienanteile an Centrex einen Fonds aufgelegt. Der Wert der Anteile - Mindesteinsatz: eine Million Dollar - ist seit 2004 rasant gestiegen. Wer im April 2004 für eine Million Dollar kaufte, hat heute über 20 Millionen. Wer besitzt die Anteile des IDF-Fonds? Der Fonds verfügt angeblich über "keine Informationen". Bekannt ist dagegen, wem die IDF-Anleger ihr Glück verdanken. Gazprom-Vize Medwedjew etwa, der mit Gerhard Schröder im Aktionärsausschuss der Gazprom- Tochter Nord Stream sitzt. Medwedjew verschaffte Centrex im September 2006 einen 20-Jahres-Vertrag für Gaslieferungen nach Österreich. Aber warum überlässt Gazprom den Profit unbekannten Anlegern? Der Konzern spricht wolkig von "geschäftlichen" Erwägungen.
Verdacht des organisierten Verbrechen
Die Centrex-Obermutter Siritia in Nikosia hatte bis Anfang des Jahres - über die Wiener Firma Arosgas - noch eine Tochter: die Rosukrenergo AG. Von der flossen jährlich Gewinne in dreistelliger Millionenhöhe durch die Briefkastenfirma Siritia, die seit zwei Jahren keine geprüften Bilanzen mehr eingereicht hat. Im Vorstand von Rosukrenergo sitzt auch der von IDF bekannte Zürcher Anwalt Hans Baumgartner. Auch hier ist unklar, warum Gazprom die Anteile lange Zeit nicht direkt, sondern über Gesellschaften in Wien und Nikosia hielt - erst seit diesem Jahr kontrolliert die Moskauer Zentrale Rosukrenergo direkt. Auch hier teilte Gazprom die Gewinne - 2006 waren es 626 Millionen Euro - offenbar ohne Not mit einem Partner: dem Ukrainer Dmitrij Firtasch. Das FBI verfolgte den Verdacht, es gebe Beziehungen zum organisierten Verbrechen, etwa dem angeblichen Mafia-Boss Semjon Mogilewitsch. Firtasch sagt, er kenne Mogilewitsch, aber nur flüchtig. Auch bei Centrex half den Invasoren ein Partner, dessen Ruf nicht über jeden Zweifel erhaben ist: der Wiener Unternehmer Robert Nowikovsky. Seine "RN Privatstiftung" hielt bis März 2006 ein Fünftel der Centrex- Anteile. Der 51-Jährige war 2004 auch mit dabei, als in Vaduz der IDF-Fonds aufgelegt wurde. Zurzeit ermitteln Staatsanwälte in Israel und Wien, weil eine angeblich mit Nowikovsky verbundene Firma 2002 den Söhnen des damaligen israelischen Premiers Ariel Sharon illegal 4,5 Millionen Dollar gezahlt haben soll, angeblich zusammen mit einem anderen Wiener Geschäftsmann: dem geheimnisumwitterten Milliardär Martin Schlaff.
Laut Centrex halten heute weder er noch Nowikovsky Anteile an der Gruppe. Aber Schlaffs Vertrauter Michael Hason, der bei mehreren Firmen des Geschäftsmanns Funktionen hat, besetzt in der Centrex- Gruppe bis jetzt eine Reihe wichtiger Positionen. Zu Schlaffs Imperium gehört ebenfalls eine Firma in Zypern. Die hat dort denselben Sitz wie die Centrex Holding - sowie einige Direktoren, die auch bei den Zypern-Töchtern von Gazprom amtieren. Centrex, Schlaff und Nowikovsky teilen sich in Wien sogar den Pressesprecher. Schon vor der Wende hatte Schlaff Embargoware an die DDR geliefert und dabei gut verdient. Der SED-Untersuchungsausschuss des Bundestages stellte im Mai 1998 fest, dass die Schlaff-Gruppe im Frühjahr 1990 "Firmengründungen ehemaliger MfS-Mitarbeiter finanziell unterstützt hat". Die von Schlaff geförderten Stasi-Agenten hatten bis 1989 von Dresden aus den Westen ausspioniert. Hier schließt sich ein Kreis. Denn in Dresden widmete sich damals auch ein junger aufstrebender KGB-Oberstleutnant der Auslandsaufklärung. Sein Name: Wladimir Putin. Kein Wunder also, dass Gazprom heute wie eine Auffanggesellschaft für ehemalige Tschekisten wirkt. Der frühere Stasi-Mann Matthias Warnig etwa betrieb - nach eigenen Worten - "Industriespionage".
Eine sich "dramatisch abzeichnende Gaslücke"
1989 war auch er in Dresden aktiv. Heute ist er Chef der Gazprom-Tochter Nord Stream. Gazprom Germania beschäftigt zwei weitere ehemalige Stasi-Leute in führender Position. Im derzeitigen Moskauer Gazprom-Vorstand zählte die "Financial Times" gleich drei Männer mit KGB-Vergangenheit auf entscheidenden Posten. Angesichts einer zunehmend aggressiven russischen Außenpolitik böte das genügend Grund zur Sorge. Schließlich hatte Gazprom der Ukraine im Winter 2006 den Gashahn abgedreht, weil die sich weigerte, einen höheren Kubikmeterpreis zu zahlen. Noch alarmierender ist, dass die Gazoviki zwischen Expansionsstreben und Verschleierungstaktik ihr eigentliches Geschäft vernachlässigen. Es klingt absurd, aber Gazprom könnte das Gas ausgehen. Nach einer Studie der britischen Defence Academy könne der Konzern Schwierigkeiten bekommen, seine Lieferverpflichtungen für Westeuropa zu erfüllen. Eigentlich, so Eon- Chef Wulf Bernotat, brauche Gazprom "hohe Investitionen in die eigenen Anlagen und Produktionsstätten". Die bestehenden Förderfelder haben ihre beste Zeit hinter sich. Neue liegen zwischen Eisbergen in der arktischen See und sind unter 70 Milliarden Dollar nicht zu erschließen.
Doch die Gazprom- Kasse ist leer, trotz hoher Einnahmen. Erst dieser Tage kürzte der Konzern das Investitionsbudget für Gasfelder und Pipelines um 700 Millionen Euro. Grund: Man hatte sich bei der Übernahme von Firmen übernommen. Eine sich "dramatisch abzeichnende Gaslücke" erkennt der britische Energiexperte Alan Riley. Bei Gazprom will man davon freilich nichts wissen: Auch in Zukunft sei genug Gas für alle da. Doch das Gazprom-Rätsel hätte plötzlich eine Lösung. Das heimliche Motto der Invasion der Gazoviki wäre: Rette sich, wer kann - bevor die Gaskrise die russische Wirtschaft samt Rubel nach unten zieht. Öffentlich verbreitet Gazprom- Deutschland-Chef Gornig freilich ganz andere Befürchtungen - etwa die, die EU wolle seinen Konzern enteignen. Doch tatsächlich wirkt es eher so, als fürchteten er und seine Vorgesetzten einen bevorstehenden Umsturz in Russland. Als sei die Invasion eine Art präventive Kapitalflucht. Oder sie ist, wie der britische Energieexperte Alan Riley spekuliert, eine Vorsichtsmaßnahme, "um führende Gazprom-Leute mit sicheren Sparschweinen zu versorgen, wenn 2008 das Regime wechselt" - und Putins Einfluss schwindet.
Mitarbeit: Luisa Brandl, Albert Eikenaar, Olga Podolskaya