Ob im kommenden Jahr Gas aus Russland durch Nord Stream 2 nach Europa fließt, ist unklar. Während Außenministerin Baerbock die geostrategische Rolle der Pipeline betont, zeigt sich der russische Botschafter in Berlin ungeduldig. Auch CSU-Politiker Dobrindt pocht auf die Inbetriebnahme.
Russland dringt auf eine zügige Entscheidung über den Start der Gas-Pipeline Nord Stream 2. "Eine künstliche Verzögerung der Inbetriebnahme der Pipeline braucht wohl niemand", sagte der russische Botschafter in Deutschland, Sergej Netschajew. Russland sei bereit, sofort Gas durch die beiden Röhren unter der Ostsee nach Deutschland zu liefern. Von der neuen Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP erwarte er, dass sie "pragmatisch und zum Nutzen der Verbraucher" mit dem Projekt umgeht.
Währenddessen bekräftigte Außenministerin Annalena Baerbock, dass Nord Stream 2 für sie mehr ist als ein rein privatwirtschaftliches Projekt. "Die letzten Jahre haben ja auch mit Blick auf die unterschiedliche Wahrnehmung in Europa deutlich gemacht, welche geostrategische Rolle Nord Stream 2 spielt", sagte die Grünen-Politikerin. Daher habe sich bereits die alte Bundesregierung von Union und SPD dazu bekannt, dass diese Pipeline auch Sicherheitsfragen aufwerfe.
Die beiden umstrittenen Gasröhren zwischen Russland und Deutschland sind fertig, es fehlt aber noch die Betriebsgenehmigung der Bundesnetzagentur. Entscheidungen darüber werde es noch nicht im ersten Halbjahr geben, hatte deren Präsident Jochen Homann kürzlich gesagt. Nach der Entscheidung der Behörde steht auch noch eine Überprüfung der EU-Kommission an.
Kanzler Olaf Scholz hat das Verfahren als "ganz unpolitisch" und die Pipeline als "privatwirtschaftliches Vorhaben" bezeichnet. Baerbock sieht mit Blick auf den Genehmigungsprozess keine Differenz mit Scholz: "Die rechtliche Prüfung liegt zum jetzigen Stand bei der Bundesnetzagentur. Olaf Scholz und ich haben diesen Zustand mit unterschiedlichen Worten beschrieben." Die Außenministerin verwies aber auch auf eine Vereinbarung der Regierung von Kanzlerin Angela Merkel mit den USA zu Nord Stream 2. "Bereits die alte Bundesregierung hat ja gemeinsam mit der US-Regierung deutlich gemacht, dass Energie nicht als Waffe eingesetzt werden darf und dass das erhebliche Konsequenzen hätte. Und das gilt ebenso."
Dobrindt: Infragestellen löst kein Problem
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wiederum warb dafür, die Pipeline in Betrieb zu nehmen, sobald rechtliche Hürden beseitigt sind. "Das ständige Infragestellen von Nord Stream 2 ist ein grundfalscher Weg", sagte er. "Wenn der Betreiber der Pipeline die Bedenken lösen kann und die Bundesnetzagentur grünes Licht gibt, soll die Röhre auch in Betrieb gehen." Nötig sei dagegen mehr Wettbewerb im Gas- und Energiemarkt. "Deutschland muss sich unabhängiger machen vom russischen Gas." Das sei eine "richtige Antwort auf die ständigen russischen Provokationen und nicht das Infragestellen einer Gasleitung", betonte Dobrindt. Infrastruktur wie Nord Stream 2 infrage zu stellen "löst überhaupt kein Problem, sondern verschärft am Ende nur die Auseinandersetzungen".
Nicht nur die angespannte Situation an der russisch-ukrainischen Grenze hat die Diskussion um Nord Stream 2 wieder entfacht. Auch das Urteil im Prozess um den sogenannten Tiergarten-Mord in Berlin führte zu neuen diplomatischen Verwerfungen zwischen Berlin und Moskau.
Die USA lehnen die Pipeline ab, weil sie eine zu große Abhängigkeit Europas von russischen Energielieferungen befürchten. Auch die Grünen haben grundsätzliche Bedenken gegen das Projekt. Der russische Botschafter Netschajew sieht das gelassen: "Ich höre aus der neuen Bundesregierung die Einschätzung, dass es ein privatwirtschaftliches Projekt ist, das nicht mit der Politik verbunden werden sollte", sagte er mit Blick auf die Äußerungen des Kanzlers. Auf die Frage, ob Russland Scholz beim Wort nehmen werde, antwortete der Botschafter: "Wir nehmen niemanden beim Wort. Aber wir nehmen das zur Kenntnis. Wir hoffen sehr, dass wir das Projekt zu Ende führen. Davon würden alle profitieren."
Quelle: ntv.de, mbe/dpa
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen