Donnerstag, 31. März 2022

"Aus geopolitischer Naivität gerissen" Die Schuld für Deutschlands Annäherung an Putin liege nicht nur bei Ex-Kanzlerin Angela Merkel, sondern der gesamten politischen Klasse, heißt es weiter. Treibende Kraft hinter den Nord-Stream-Pipelines seien schließlich die Sozialdemokraten gewesen. Die USA und viele andere Staaten hatten Nord Stream 2 seit langer Zeit als geopolitisches Machtinstrument in den Händen des Kreml gesehen

 Ausland über Gas-Abhängigkeit

"Putins nützliche deutsche Idioten"

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Ausländische Medien kritisieren die Deutschen wegen ihrer Abhängigkeit von russischem Gas als naiv.

(Foto: dpa)



Deutschland hängt am russischen Gas-Tropf und befeuert dadurch nach Ansicht mancher Ökonomen den Angriff auf die Ukraine. Dabei warnten etwa die USA bereits in den 1980er Jahren davor, sich von Despoten abhängig zu machen. Im Ausland betrachtet man die Deutschen in diesem Punkt als naiv.

Ab Freitag soll Deutschland seine russischen Gas-Importe in Rubel bezahlen - die Sorge, Russlands Präsident Wladimir Putin könnte den Gashahn zudrehen, wächst hierzulande. Ginge es nach anderen Regierungschefs, hätte die EU die Lieferungen längst selbst gestoppt. Allen voran Deutschland blockiert jedoch ein europäisches Embargo auf russische Energie. Die starke Abhängigkeit davon löst in anderen Ländern schon lange Kopfschütteln aus.

Bereits seit Ronald Reagans Amtszeit in den 1980er Jahren hätten US-Regierungen Deutschland davor gewarnt, sich so von einem despotischen Regime abhängig zu machen, erklärt Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman in der "New York Times". "Diese Situation hätte niemals eintreten dürfen." Der britische "Guardian" schreibt von einer "idiotischen Abhängigkeit von russischem Gas".

Der europäische Ableger des Portals "Politico" titelt gar: "Putins nützliche deutsche Idioten" - und rechnet mit Deutschlands Umgang mit Russland in den vergangenen beiden Jahrzehnten ab. Mit seinen Zugeständnissen, Nord Stream 2 zu stoppen, Waffen in die Ukraine zu schicken und die Bundeswehr massiv zu stärken, habe Deutschland quasi über Nacht Forderungen erfüllt, die die USA und andere Verbündete seit Jahren erhoben hätten.

"Aus geopolitischer Naivität gerissen"

Die Schuld für Deutschlands Annäherung an Putin liege nicht nur bei Ex-Kanzlerin Angela Merkel, sondern der gesamten politischen Klasse, heißt es weiter. Treibende Kraft hinter den Nord-Stream-Pipelines seien schließlich die Sozialdemokraten gewesen. Die USA und viele andere Staaten hatten Nord Stream 2 seit langer Zeit als geopolitisches Machtinstrument in den Händen des Kreml gesehen"Le Monde" aus Frankreich bilanziert, Russlands Angriff habe die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt "aus einer geopolitischen Naivität gerissen, die unhaltbar geworden ist". Deutsche Politiker hatten Nord Stream 2 stets als rein wirtschaftliches Projekt bezeichnet - und das Gas aus Russland floss selbst zu Zeiten des Kalten Kriegs zuverlässig.

Einige Partner wie Frankreich sehen auch Deutschlands Ausstieg aus der Atomenergie kritisch - Teil der Energiewende ist Gas als Brückentechnologie. "Der Atomausstieg ist für Deutschland das, was der Brexit für Großbritannien ist: ein unnötiger Akt der Selbstbeschädigung, getrieben von Fehlinformationen und irrationalen Schuldzuweisungen", urteilt der "Guardian". Dass infolge der Abkehr von der Kernenergie die Energieimporte aus Russland sogar noch zunahmen, verurteilt die "Financial Times" aus Großbritannien: "Dieser Fehler war schlimmer als bloße Nachlässigkeit."

Die heimische Erdgasförderung deckt nach Angaben des Bundesverbands Erdgas, Erdöl und Geoenergie nur rund fünf Prozent des Bedarfs in Deutschland. Rund die Hälfte der Importe stammt laut der Beratungsfirma Aurora Energy Research bislang aus Russland, rund 30 Prozent aus Norwegen, 13 Prozent aus den Niederlanden. Am deutschen Energiemix hat Gas einen Anteil von rund einem Fünftel. Etwa die Hälfte des deutschen Gasverbrauchs wird laut Aurora fürs Heizen genutzt, die deutsche Industrie verbraucht rund 35 Prozent, etwa 15 Prozent fließen in die Stromproduktion.

Beim Öl stammt nach Angaben der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe bisher gut ein Drittel der Importmenge aus Russland. Bei der importierten Steinkohle kommt demnach bis jetzt fast die Hälfte aus Russland. Von beidem will Deutschland noch in diesem Jahr unabhängig werden. Öl und Kohle lassen sich wegen des einfacheren Transports deutlich kurzfristiger aus anderen Quellen beziehen als Gas. Letzteres möchte Deutschland in Zukunft unter anderem aus Katar beziehen - und muss aufpassen, nicht von anderen Despoten abhängig zu werden.

Quelle: ntv.de

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