NATO hätte Kiew aufnehmen müssen
Stoltenberg-Vorgänger sieht "historischen Fehler"
04.03.2022, 21:59 UhrIn Brüssel bleibt NATO-Generalsekretär Stoltenberg standhaft und will sich nicht in den Krieg mit Moskau hineinziehen lassen. Sein Vorgänger im Amt wagt einen Blick zurück und meint: Beim NATO-Gipfel 2008 hätte man die Ukraine aufnehmen müssen. Das verhinderte damals auch Kanzlerin Merkel.
Der frühere NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat die maßgeblich auch von Deutschland mitbeeinflusste Zurückhaltung hinsichtlich einer NATO-Aufnahme der Ukraine als "historischen Fehler" bezeichnet. Das westliche Bündnis habe viele Fehler gemacht, sagte Rasmussen der "Augsburger Allgemeinen" in Brüssel. "Zu ihnen gehört, dass wir uns auf dem NATO-Gipfel 2008 nicht dazu entscheiden konnten, der Ukraine und Georgien einen Aktionsplan für die Mitgliedschaft anzubieten."
Damals hätte Bundeskanzlerin Angela Merkel Rasmussen zufolge maßgeblichen Anteil daran gehabt. Mit Blick auf Russlands Präsident Wladimir Putin führte er aus: "Er folgerte daraus, dass die NATO-Verbündeten schwach und uneinig sind. Dann griff er Georgien an, um eine klare Botschaft zu senden, dass wir uns nicht in seiner Nachbarschaft einzumischen haben." Ähnlich "schwach und zu langsam" habe der Westen bei Putins Besetzung der Krim 2014 gehandelt. "Rückblickend hätten wir Putin viel früher entgegentreten müssen."
"Endlich löst sich Deutschland aus dem Schatten des Zweiten Weltkriegs"
Er sei ein großer Kritiker des deutschen Zögerns gewesen, umso mehr schätze er die jetzt getroffenen Entscheidungen zu Waffenlieferungen. "Sie markieren einen Wendepunkt, nicht nur in der neueren deutschen Geschichte, sondern auch für Europa", sagte Rasmussen. "Endlich hat sich Deutschland aus dem Schatten des Zweiten Weltkriegs gelöst." Eine Politik der Beschwichtigung mit Diktatoren führe niemals zu Frieden, sondern nur zu Konflikt oder sogar zu Krieg. Putin handele "wie ein Wahnsinniger" und erreiche derzeit das Gegenteil seiner Ziele: nämlich nun eine geschlossenere EU, eine stärkere NATO und mehr NATO-Truppen an der russischen Grenze. "Russland ist jetzt international ausgestoßen, angeführt von einem politischen Gangster."
Mit Zurückhaltung positionierte sich Rasmussens direkter Nachfolger, der amtierende NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach einem Sondertreffen der Außenminister in Brüssel: Das Bündnis verstehe die "Verzweiflung" der ukrainischen Regierung. Wenn sich die NATO aber direkt militärisch in den Konflikt mit Russland einmische, würden zahlreiche weitere Länder in Europa in den Krieg hineingezogen.
Quelle: ntv.de, mau/dpa
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