Freitag, 4. März 2022

UKRAINE HAT DIE UKRAINE EIN SCHULDENPROBLEM? Die Wirtschaft der Ukraine hat sich nach der Fast-Staatspleite von 2015 angesichts der militärischen Aggression Russlands erstaunlich positiv entwickelt – allerdings auf Pump, vor allem durch die Ausgabe neuer Staatsanleihen und durch umfangreiche Kreditaufnahmen beim Internationalen Währungsfonds (IWF). Beide setzen regelmäßige Refinanzierungsmöglichkeiten voraus

 

UKRAINE

HAT DIE UKRAINE EIN SCHULDENPROBLEM?

Die Wirtschaft der Ukraine hat sich nach der Fast-Staatspleite von 2015 angesichts der militärischen Aggression Russlands erstaunlich positiv entwickelt – allerdings auf Pump, vor allem durch die Ausgabe neuer Staatsanleihen und durch umfangreiche Kreditaufnahmen beim Internationalen Währungsfonds (IWF). Beide setzen regelmäßige Refinanzierungsmöglichkeiten voraus.

DIE WICHTIGSTEN SCHULDENINDIKATOREN (STAND 2017)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)98,440
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)179,3150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)20,715
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)71,050
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)180,7200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)113,281 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)13,113 Mrd.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

WER SIND DIE GLÄUBIGER DER UKRAINE?

Erklärung der Schuldenkategorien

Von den 113 Milliarden US-Dollar Auslandsschulden entfallen 22 Milliarden US-Dollar auf kurzfristige Verbindlichkeiten, die hier nicht weiter berücksichtigt werden; 47 Milliarden US-Dollar sind Schulden des States und 43 Milliarden US-Dollar Schulden des ukrainischen Privatsektors.

Die Ukraine ist zu vier Fünftel ihrer externen Finanzierung vom internationalen Anleihemarkt abhängig. Das gilt für den Staat als Kreditnehmer ebenso wie für private ukrainische Unternehmen. Lediglich multilaterale Geber, darunter prominent die Weltbank, auf die mit gut 5 Milliarden US-Dollar mehr als die Hälfte aller Forderungen von multilateralen Banken entfallen, spielen außerhalb des Anleihemarkt noch eine spürbare Rolle. Dazu kommen allerdings Außenstände des Landes gegenüber dem IWF, die seit 2014 beständig ansteigen – bis zum Ende 2017 auf 14 Milliarden US-Dollar.

Bezüglich der bilateralen Forderungen an der Ukraine klaffen die oben zugrunde gelegten Zahlen der Weltbank und die des Pariser Clubs wie auch bei zahlreichen anderen Ländern weit auseinander: Die Weltbank weist 1,6 Milliarden US-Dollar konzessionäre Kredite aus und keine Handelsschulden, während der Pariser Club 913 Millionen Dollar konzessionäre Forderungen erhebt und 4,04 Milliarden US-Dollar an Handelsforderungen. Von den Forderungen des Clubs verlangt Deutschland vergleichsweise geringe 24 Millionen Euro aus der Entwicklungshilfe und 46 Millionen Euro aus bundesverbürgten Handelsgeschäften.

Die Unterschiede rühren hauptsächlich daher, dass die Zahlen der Weltbank vom Schuldner kommen und die des Pariser Clubs von seinen Mitgliedern. So dürfte etwa die strittige Anleihe Russlands (siehe unten) den größten Teil der ausgewiesenen Handelsforderungen ausmachen.

TREND

Die öffentlichen Schulden sind im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung seit 2013 um mehr als 10% Prozent angestiegen, während die Indikatoren für die gesamten (öffentlichen und privaten) Auslandsschulden stabil geblieben sind oder sich sogar leicht verbessert haben. 2013 war das Jahr, in dem die nominalen Auslandsschulden ihren Höhepunkt erreichten. Kurzfristig betrachtet war 2017 ein Jahr spürbaren Auslandsschuldenabbaus.

2015 waren besonders hohe Rückzahlungen auf existierende Staatsanleihen fällig und entsprechend mussten für mehr als 10 Milliarden US-Dollar neue Anleihen platziert werden.

Die Ukraine weist seit 2009 Zahlungsrückstände gegenüber ausländischen Gläubigern auf, hauptsächlich gegenüber privaten, aber seit 2015 in bescheidenem Umfang auch gegenüber öffentlichen Gläubigern. Mit ungeregelten Rückständen von insgesamt mehr als 17 Milliarden US-Dollar ist das Land absolut gesehen einer der schlechtesten Schuldner weltweit.

BISHERIGE SCHULDENERLEICHTERUNGEN FÜR DIE UKRAINE

Die Ukraine bat bisher einmal im Pariser Club ihre Verbindlichkeiten gegenüber den Club-Mitgliedern umgeschuldet: im Jahr 2001 unter Classic Terms, das heißt ohne Schuldenerleichterungen. Kurz zuvor (1998-2000) waren in vier Verhandlungsrunden mit privaten Gläubigern insgesamt 2,3 Milliarden US-Dollar umgeschuldet worden. Insgesamt wurden dabei Schuldenerleichterungen von etwas mehr als 10 Prozent erzielt.

Das wichtigste Umschuldungsabkommen handelte die Ukraine 2015 aus, als es 18,5 Milliarden US-Dollar in Staatsanleihen umschuldete. Sie handelte mit den Anleiheinhabern, darunter prominent große Fonds wie Franklin Templeton und die brasilianische Investment Bank BTG Pactual einen Nachlass in Höhe von 20 Prozent aus sowie eine Streckung der Fälligkeiten um vier Jahre. Im Gegenzug erhielten die Gläubiger teilweise indexierte Anleihen, die einen höheren Coupon für den Fall höheren Wirtschaftswachstums in der Ukraine in Aussicht stellten.

AKTUELLE RISIKEN FÜR DIE SCHULDENTRAGFÄHIGKEIT

2019 werden die im Zuge der großen Umschuldung von 2015 ausgegebenen neuen Anleihen fällig.

Die Ukraine streitet sich mit Russland um die Rückzahlung eines Eurobonds von rund 3 Milliarden US-Dollar, welchen Russland 2014 dem seinerzeitigen moskaufreundlichen Präsidenten Janukowitsch kurz vor dessen Sturz abgekauft hatte. Die Ukraine beharrt darauf, dass die Anleihe in die Umschuldung des Jahres 2015 einzubeziehen sei, während Moskau darin keine normale Anleihe, sondern einen Kreditvertrag zwischen Staaten erblickt. Da die Anleihe unter englischem Recht begeben wurde, liegt der Fall seither vor Londoner Gerichten. Im November 2018 entschied das Berufungsgericht zugunsten der Ukraine, woraufhin Moskau den Supreme Court angerufen hat.

Der IWF ist angesichts der Rechtsunsicherheiten im Streit mit Russland und der sich verschlechternden Bedingungen an den internationalen Kapitalmärkten infolge der Zinsanhebungen in den USA der wichtigste Geldgeber für die Ukraine. Angesichts der kriegerischen Auseinandersetzungen mit Russland und der nicht immer transparenten Haushaltsführung der Regierung in Kiew kann und will der IWF die Ukraine allerdings nur noch zu verhärteten Konditionen finanzieren. Das betrifft insbesondere den Staatshaushalt für 2019, in dem der IWF im November 2018 noch eine Finanzierungslücke von 1,5 Milliarden US-Dollar erblickt, welche die ukrainische Regierung mittels Steuererhöhungen schließen soll – im Hinblick auf das bevorstehende Wahljahr aber nicht schließen will.

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

Angesichts der oben deutlich gewordenen Diskrepanzen schon bei der Feststellung der Forderungsbestände ist es entscheidend, dass die Ukraine hart mit ihren Gläubigern verhandelt. Eine spürbare Entschuldung würde allerdings auch eine überzeugende Verbesserung der Regierungsführung in der Ukraine selbst voraussetzen.

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