er Kriegstag im Überblick
Briten liefern 120 gepanzerte Fahrzeuge - Russische Truppen üben in Kaliningrad
09.04.2022, 21:04 UhrDer britische Premier Johnson besucht überraschend Kiew und sagt die Lieferung weiterer Waffensysteme zu. Der ukrainische Präsident Selenskyj erwartet unterdessen "harte Schlachten im Osten" - und die Russen halten ein Manöver in ihrer an der Ostsee gelegenen Exklave Kaliningrad ab. Der 45. Kriegstag im Überblick.
Johnson und Nehammer bei Selenskyj
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den britischen Premier Boris Johnson getroffen, der unangekündigt nach Kiew gereist war. Ein britischer Regierungssprecher sprach von einem "Zeichen der Solidarität mit dem ukrainischen Volk". Johnson twitterte, dass Großbritannien "ein neues Paket an finanzieller und militärischer Hilfe schnürt, das unser Engagement für den Kampf seines Landes gegen den barbarischen Feldzug Russlands beweist". Zusätzlich zu der am Freitag angekündigten Militärausrüstung im Wert von 100 Millionen Pfund werde Großbritannien der Ukraine 120 gepanzerte Fahrzeuge und neue Schiffsabwehrraketen liefern, teilt Johnsons Büro mit.
Zuvor hatte Selenskyj bereits Österreichs Kanzler Karl Nehammer getroffen. "Das ist ein wunderbares Signal, dass die Führer europäischer Staaten damit anfangen, hierher zu kommen und uns nicht nur mit Worten unterstützen", dankte Selenskyj ihm. Zudem bekräftigte Selenskyj, dass sich russische Truppen im Osten der Ukraine versammelten. "Das wird eine harte Schlacht", sagte er auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Nehammer.
Interfax meldet russisches Militärmanöver in Kaliningrad
Russland hat derweil ein Militärmanöver in seiner westlichen an der Ostsee gelegenen Exklave Kaliningrad abgehalten. Das meldete die Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf das Baltische Flottenkommando der russischen Marine. Beteiligt gewesen seien bis zu 1000 Militärangehörige. Außerdem hätten Kampfjets vom Typ Su-27 und Bomber vom Typ Su-24 über Nacht Angriffe auf Boden- und Luftziele geübt. Ein Grund für die Manöver wurde nicht genannt. Kaliningrad liegt an der Ostsee zwischen den NATO-Ländern Polen und Litauen. Am Mittwoch hatte der stellvertretende russische Außenminister Alexander Gruschko die europäischen Staaten davor gewarnt, sollten sie gegen die Exklave vorgehen, wäre dies ein Spiel mit dem Feuer.
Kämpfe in Ost-Ukraine gehen weiter - Salpetersäure-Wolke über Stadt?
Die Angriffe russischer Einheiten im Donbass im Osten der Ukraine gingen ukrainischen Angaben zufolge auch heute weiter. Die russischen Truppen konzentrierten sich darauf, die Orte Rubischne, Nischne, Popasna und Nowobachmutiwka zu übernehmen und die volle Kontrolle über die Stadt Mariupol zu erlangen, berichtete die Agentur Unian unter Berufung auf den Bericht zur militärischen Lage des ukrainischen Generalstabs am Samstagmorgen.
Unweit von Rubischne wurde im Kampfverlauf offenbar ein Lager mit Salpetersäure durch Beschuss beschädigt. "Wenn Sie in einem Gebäude sind, schließen Sie Türen und Fenster!", warnte der Gouverneur des Gebiets Luhansk, Serhij Hajdaj, heute. Menschen in Bombenschutzkellern sollten diese nicht verlassen. Gleichzeitig veröffentlichte er auf Telegram ein Video mit einer dicken rötlichen Wolke, die von Salpetersäure stammen soll. Hajdaj sprach von russischem Beschuss. Die prorussischen Separatisten von Luhansk machten dagegen ukrainische Kräfte für den Chemieunfall verantwortlich. Die Berichte waren nicht unabhängig überprüfbar.
Borrell: Waffenlieferungen wichtiger als Gas-Embargo
Nach dem gestrigen Raketentreffer auf einen Bahnhof in der Ukraine mit vielen getöteten Zivilisten forderte der Außenbeauftragte der Europäischen Union, Josep Borrell, unterdessen mehr Waffenlieferungen an das Land. Diese seien derzeit entscheidender als ein Gas-Embargo, führte er aus. Die EU hatte zuvor ebenso wie die USA Russland für den Angriff auf den Bahnhof im ostukrainischen Kramatorsk mit mehr als 50 Toten verantwortlich gemacht. Der außenpolitische Sprecher der EU sprach von einem Kriegsverbrechen.
Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte sich erneut erschüttert über das Vorgehen der russischen Armee im Kiewer Vorort Butscha, den sie am Vortag besucht hatte. "Mein Instinkt sagt: Wenn das kein Kriegsverbrechen ist, was ist dann ein Kriegsverbrechen? Aber ich bin eine gelernte Ärztin und das müssen nun Juristen sorgfältig ermitteln", sagte sie heute Morgen auf der Rückreise von Kiew nach Polen.
Geberkonferenz mit 10,1 Milliarden vorwiegend für Flüchtlinge
In Warschau angekommen, durfte von der Leyen inmitten der Kriegsgräuel eine aufbauende Nachricht verkünden. Bei einer weltweiten Spendenaktion für Geflüchtete aus der Ukraine waren mittlerweile Zusagen in Höhe von insgesamt 10,1 Milliarden Euro zusammengekommen. Bei der "Stand Up For Ukraine"-Kampagne seien 9,1 Milliarden Euro zugesagt worden, eine weitere Milliarde stelle die EU-Kommission gemeinsam mit der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung bereit, verkündete die EU-Kommissionspräsidentin. Mit den Spenden sollen innerhalb der Ukraine Vertriebene sowie in Nachbarländer Geflüchtete unterstützt werden.
Russlands Truppen soll nun Syrien-erfahrener General leiten
Seit Tagen wird spekuliert, wie sich Russland neben der angekündigten Konzentration auf den Osten in seinem Angriffskrieg weiter verhalten wird. Nun soll das Land seine oberste Kriegsführung in der Ukraine umorganisiert haben. Einem westlichen Regierungsvertreter zufolge wird der Angriff nun von dem General Alexander Dwornikow geleitet, der umfassende Kriegserfahrung aus Syrien hat.
Dwornikow trat nach offiziellen Angaben 1978 in die Rote Armee ein und war in den 90er-Jahren auch in der DDR stationiert. Er ist zuletzt Befehlshaber im südlichen Wehrbezirk Russlands gewesen. Für seinen Einsatz im Syrien-Krieg wurde er 2016 von Präsident Wladimir Putin mit dem Heldenstatus ausgezeichnet. Offiziell wurde der Kommandowechsel von russischer Seite zunächst nicht bestätigt.
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Quelle: ntv.de, mpe/dpa/rts
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