Donnerstag, 4. Dezember 2025

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Venezuela: Europas stilles Einverständnis zum Regime-Change

 Luca Schäfer
Flagge der EU und Venezuelas

Wie verhält sich die EU angesichts des militärischen Aufmarschs vor Venezuelas Küste?

 

(Bild: chernobrovin/Shutterstock.com)

Unverhohlen drohen die USA mit Krieg gegen Venezuela. In Brüssel bleibt es seltsam ruhig. Was die Schweigsamkeit der EU erklärt und wie es weitergehen könnte.

Selten waren die Zeichen derart offensichtlich wie derzeit: Mit der größten US-Militäraufstellung seit Jahrzehnten in der Karibik, der Sperrung des venezolanischen Luftraums und der Umdeutung der venezolanischen Regierung zu einer terroristischen Drogenclique verdichten sich die Zeichen einer Regime-Change-Intervention massiv.

Zudem wirken die US-geführten Angriffe auf vermeintliche Drogenboote wie die Vorstufe zur befürchteten Eskalation. Militärisch ist die US-Administration in die Vollen gegangen: Flugzeugträger, Kriegsschiffe, U-Boote und über 14.000 Soldaten in der Region, Puerto Rico und die Küste vor Venezuela als Aufmarschgebiet sprechen eine deutliche Sprache.

Während sich der zurzeit im Libanon weilende Papst Leo XIV. vor seiner anstehenden Lateinamerika-Reise warnend zu Wort meldete – der Pontifex mahnte zu Dialog statt Druck – fehlen derartige Interventionen aus Brüssel. Sekundiert Europa dem Auftakt eines völkerrechtswidrigen Krieges?

Scheideweg 2013

Zur Zeit der Ära Chávez agierten die meisten EU-Staaten – die EU stellt in der Venezuela-Frage keinen monolithischen Block dar – zurückhaltender als die USA: Sie waren kritisch-distanziert, aber dezenter aggressiv. Unter der ab 2013 amtierenden Maduro-Regierung veränderte sich der Tonfall erneut negativ. Einhergehend mit dem Verfall der Ölpreise und der sich massiv zuspitzenden sozialen Krise im Land – die veritablen Missionen konnten durch Caracas kaum gegenfinanziert werden – begann Brüssel, im Windschatten der USA, vermehrt politische und ökonomische Hebel anzusetzen.

So lässt die EU auf der offiziellen Seite des Europäischen Rates die Kaskade der Sanktionen und Kritiken gegen die Bolivarische Republik am 18. Juli 2016 mit den "politischen Schlussfolgerungen des Rates zu Venezuela" beginnen. Im damaligen, im Vergleich zu heute zurückhaltenden Tonfall war nur von EU-Bemühungen die Rede, den "Dialog zu unterstützen" – gemeint war die Auseinandersetzung mit der teilweise westlich aufgebauten Opposition.

In den Jahren bis zur Proklamierung Juan Guaidós zum Gegenpräsidenten zeichnet sich Brüssel durch kritische Distanz in Kombination mit sich potenzierenden Sanktionen aus. Mit der zunehmend offenen Menschenrechtsintervention der USA verschärfte sich der Duktus der EU-Staaten gegenüber Venezuela im gleichen Maße. Schlusspunkt jener Entwicklung war die Verleihung des Friedensnobelpreises an die Oppositionsgalionsfigur María Corina Machado in diesem Jahr, die geradezu grotesk anmutet.

Im Würgegriff

Seit November 2017 sanktioniert die EU Venezuela wirtschaftlich. Mit Ausnahme 2024 traten in allen darauffolgenden Jahren Verschärfungen hinzu. Die Palette reicht von Personensanktionen, Reiseverboten und Einfrierungen von Vermögen bis hin zu einem Waffenembargo und empfindlichen Handelsrestriktionen. EU-Unternehmen oder Banken dürfen kein Geld, keine Kredite oder Investitionen zur Verfügung stellen.

Dies greift eng in die US-Sanktionen, durch die venezolanische Petrodollar in den USA eingefroren sind. Dass es Washington und Brüssel dabei explizit um die Schürung von durch Leid verursachten Aufständen geht, belegt die Tatsache, dass die eingefrorenen Vermögenswerte ursprünglich für einen venezolanischen Staatsfonds in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Infrastruktur gedacht waren.

Brüssel contra Washington?

Aktuell wollen die USA einen militärischen Konflikt mit Venezuela allein wagen. Gleichwohl wäre mit einer erfolgten US-Militärintervention die Strategie der EU am Ende. Dabei lassen sich, wie im Fall der Ukraine, erneut Sollbruchstellen des transatlantischen Bündnisses identifizieren: Fußend auf der Monroe-Doktrin und einer Neuinterpretation direkter US-amerikanischer Einflusssphären bezieht sich die Trump-Administration positiv auf die Rolle als intervenierende Großmacht.

Auch wenn der US-Kongress und Brüssel die gleiche Analyse von einem autoritären venezolanischen Regime teilen, erfolgen daraus bisweilen taktisch-strategisch unterschiedliche Leitlinien. Während sich Brüssel als Verfechter regelbasierter Ordnungen profilieren und die Kontrolle über Migrationsströme sowie energiepolitische Beziehungen im Kontext der Ukraine eher ausbauen als kappen möchte, wandeln die USA auf vergangen geglaubten Tendenzen einer ihren Hinterhof einbeziehenden Rolle als bellizistischer Weltpolizist. Aktuell scheint noch unentschieden, ob das transatlantische Abstimmungs- und Unterordnungsbedürfnis oder die Skepsis vor einer militärischen Eskalation vorherrschend sein wird.

Während das kulturell, historisch und wirtschaftlich eng mit Venezuela vernetzte Spanien den inner-europäischen Anheizer mimt und die Haltung gegenüber venezolanischen Menschenrechtsverletzungen für die eigene Agenda nutzt, verwiesen Deutschland und die Schweiz in einem gemeinsamen Statement auf eine friedliche Klärung der Venezuela-Frage.

Dies sollte jedoch nicht fehlinterpretiert werden: Laut dem Auswärtigen Amt beobachtet Deutschland die US-Truppenverstärkung vor der venezolanischen Küste, betont aber, dass es sich dabei um eine Angelegenheit zwischen den USA und Venezuela handelt. Eine Bewertung konkreter militärischer Schritte lehnt die Bundesregierung ab.

Lateinamerikanische Zeitenwende

Noch gibt es kein offizielles EU-Dokument, in dem eine militärische Intervention gefordert oder gutgeheißen wird. Im Gegenteil: 2025 betonte man, dass eine militärische Lösung von außen nicht zu den anerkannten Mitteln zur Krisenlösung gehört. Brüssel stellt demnach keine substanziellen Einwände gegen ein von Dritten herbeigeführtes Ende der Maduro-Zeit, sondern differenziert sich vielmehr im Hinblick auf Zeitpunkt, Weltlage und Strategie von Washington aus.

Zu Russland bestehen für Venezuela enge politische und militärische Kontakte. Die strategische Partnerschaft wurde durch frühere russische Militärpräsenz untermauert.

Zu Peking existieren gleichsam große wirtschaftliche Verflechtungen: Kredite gegen Öl und Infrastrukturprojekte. Auch der Iran gilt als kleiner Faktor: Teheran scheint einem militärischen Technologietransfer nach Caracas, insbesondere im Bereich seiner erprobten Drohnentechnik, offen gegenüberzustehen.

Dies bietet Caracas gewisse politische Rückendeckung, Kredite, Ausrüstung und diplomatischen Schutz. Im militärischen Ernstfall sind sie jedoch nicht direkt als Verbündete eingriffsbereit. Peking und Moskau werden entlang eigener Kosten-Nutzen-Rechnungen abwägen müssen, was ihnen Maduro "wert" ist. Aktuell dürften beide Staaten die Causa Venezuela aussitzen wollen.

Begrenzung oder Entgrenzung?

Bereits jetzt zeigt sich die Bereitschaft der USA, militärische Gewalt in begrenztem Umfang einzusetzen – zumindest jedoch eine gewisse Eskalationsbereitschaft. Wahrscheinlich erscheint weiterhin eine Kombination aus ökonomischem Sanktionsdruck, einer militärischen Gewaltkulisse, Geheimdienstoperationen und gezielten Bombardierungen (siehe Iran). Eine größere Bodenoffensive ist aufgrund der Lage sowie der Bereitschaft der venezolanischen Bevölkerung zur Verteidigung mit hohen Kosten verbunden. Analysen darauf, dass für eine Invasion mindestens 50.000 US-Soldaten nötig wären – Tendenz steigend.

Langfristig wäre der aufgenommene Völkerrechtsdiskurs massiv westlich beschädigt, die Besatzungskosten wären hoch, Öl-Lieferkettenprobleme wären vorprogrammiert und ein stark erhöhtes Konfrontationsrisiko mit Russland und China wäre erwartbar. Ohnehin dürfte ein Krieg der Kokainflut keinen Abbruch tun.

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