|
In der ARD lief um Mitternacht ein Film über die bedeutendste politische Entscheidung, die Angela Merkel als Bundeskanzlerin aus freien Stücken traf. „Das Finale: Fukushima und der deutsche Atomausstieg“ heißt das Werk. Als Autorin und Regisseurin zeichnet die „FAZ“-Kolumnistin Inge Kloepfer verantwortlich, produziert wurde der Dokumentarfilm von Sandra Maischbergers Produktionsfirma Vincent TV. Der Film beginnt am 11. März 2011, als um 14:47 Uhr japanischer Ortszeit ein Erdbeben den asiatischen Inselstaat erschüttert, gefolgt von einer 30 Meter hohen Tsunami-Welle, die auf die Küste zurast. Das Kernkraftwerk Fukushima erlebt in vier von sechs Blöcken eine Kernschmelze; radioaktive Emissionen werden freigesetzt, die Kühlsysteme versagen; über 100.000 Menschen müssen evakuiert werden. Die halbe Welt verfolgt den Echtzeit-Thriller am Fernsehgerät. |
|
In Deutschland wird innerhalb von 96 Stunden die friedliche Nutzung der Kernenergie für beendet erklärt und die von CDU, CSU und FDP durchgesetzte Laufzeitverlängerung für die Atommeiler zurückgenommen. Angela Merkel beginnt eine Geheimdiplomatie mit den Spitzen ihrer Regierung, den Fraktionschefs der Koalition, den betroffenen Landesfürsten und der Energiewirtschaft, ohne nennenswerte Einbeziehung des Parlaments. Es kommt schließlich zur radikalen Veränderung der Energiebasis im wichtigsten Industrieland Europas. Die Kanzlerin war in diesen 96 Stunden Akteurin – und Getriebene. Der Film zeichnet diese 96 Stunden der Entscheidungsfindung nach. Wir schauen der Kanzlerin, auch wenn sie für kein Interview zur Verfügung stand, über die Schulter. Im Morning Briefing Podcast berichtet die Filmemacherin von einem politischen Prozess, der alle betrifft und den damals keiner sah. Und sie malt das Porträt einer Regierungschefin und CDU-Vorsitzenden, die im Zeichen der Katastrophe von der Zauderliese zur Zupack-Kanzlerin wurde und sich damit ins Geschichtsbuch eintrug. Die Folgen der Entscheidung – eine hohe Importabhängigkeit, steigende Stromkosten und Milliarden an Entschädigungen für die Besitzer der Atommeiler – wirken bis heute nach. Allerdings: Auch den hohen Anteil erneuerbarer Energien verdankt die Bundesrepublik dieser Entscheidung. Den Film – den man auch als Unterrichtseinheit in Sachen Realpolitik sehen kann – gibt es bereits in der ARD-Mediathek. Prädikat: Erhellend |
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen