Dienstag, 28. Dezember 2021

Wobei man wissen muss, dass es selbst danach, also wenn die Gerätschaften bereits bei der Bundeswehr sind, noch Jahre des Weiterbastelns dauern kann, bis sie einsatzbereit sind. Das galt beispielsweise für das Transportflugzeug A400M, die Tiger-Hubschrauber, aktuell geht es um den Schützenpanzer Puma. Von diesem Musterexemplar genügen derzeit etwa vier Dutzend von 350 Fahrzeugen den aktuellen NATO-Anforderungen. Ob der Panzer „kriegstauglich“ wird, wie der Inspekteur des Heeres es verlangt, steht dahin.

 NEUE VERTEIDIGUNGSMINISTERIN

:Lambrechts luftige Worte und weitreichende Pläne

Die neue Verteidigungsministerin hatte mit der Bundeswehr bislang wenig zu tun. Umso mehr lassen Christine Lambrechts Ankündigungen aufhorchen.

4 Min.

Die neue Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hat die ersten Tage im neuen Amt zu einer ersten Rundreise innerhalb der Bundeswehr genutzt. Sie besichtigte zunächst das Einsatzführungskommando in Potsdam, von wo aus alle Auslandseinsätze geleitet werden. Anders als ihre Vorgänger reiste sie vorerst nicht selbst dorthin, wo Soldaten im Auftrag des Parlaments den derzeit brisantesten Einsatz absolvieren, nämlich nach Mali.

Peter Carstens
Politischer Korrespondent in Berlin

Stattdessen ließ sich Lam­brecht per Video mit dem Kontingentführer und einigen Männern und Frauen verbinden, die in der Subsahara Dienst tun. Am Sonntag vor Weihnachten flog die Ministerin für wenige Stunden nach Litauen, um Bundeswehrsoldaten zu besuchen, die dort im Rahmen der NATO das benachbarte Russland vor einer eventuellen Aggression abschrecken sollen.

Lambrecht kündigte gleichzeitig in der Boulevardpresse an, man müsse den russischen Präsidenten Putin „ins Visier nehmen“. Das klang ungewohnt martialisch: Ins Visier seiner Waffe nimmt ein Schütze sein Ziel. Doch dann erläuterte die neue Verteidigungsministerin, man wolle Putin und sein Umfeld davon abhalten, zum Shoppen nach Paris zu fliegen – was wiederum sensationell harmlos klang. Besonders angesichts Zehntausender russischer Soldaten, die an der Grenze zur Ukraine aufmarschiert sind.

Die Aufgabe, an der bisher alle scheiterten

Die SPD-Politikerin besuchte vor Weihnachten noch ein Logistikbataillon, einen Luftwaffenstützpunkt bei Rostock und die Marine beim Korvettengeschwader in Warnemünde. Überall betonte Lambrecht einerseits ihre neue Machtfülle als „Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt“. Sie tat das so oft, dass man bei der besonders liebenswürdigen Marine sogar eine seefeste Jacke mit der Aufschrift „IBuK“ für sie bereithielt.

Lambrecht gab aber auch bescheiden zu bedenken, dass es auf dem neuen Fachgebiet noch viel zu lernen gebe. In einem Interview mit der „Bild am Sonntag“ ließ Lambrecht wissen, dass sie sich mit dem Erlernen der militärisch korrekten Bezeichnung der Dienstgrade ihrer Zehntausenden Untergebenen allerdings Zeit lassen wolle.

Vom Gefreiten bis zum General stieß gleichwohl auf Interesse, dass die Ministerin ihren Kurzbesuchen stets versprach, den Soldaten bestmögliche Ausrüstung zu verschaffen. Daran mangelt es bekanntlich seit Jahren. „Die Voraussetzungen müssen stimmen. Das fängt mit der Infrastruktur und der Ausrüstung an“, sagte die Ministerin und versprach: „Hier müssen wir im Beschaffungswesen neue Wege überlegen und auch gehen.“

Die Ministerin bei ihren Truppen in Litauen
Die Ministerin bei ihren Truppen in Litauen :Bild: Reuters

Nachdem die letzten fünf Vorgänger – allesamt Politiker der Union – alle an dieser Aufgabe gescheitert waren und Wehrbeauftragte das Beschaffungswesen seit Jahren als mangelhaft und „organisierte Verantwortungslosigkeit“ bezeichnen, liegt hier eine, wenn nicht die organisatorische Hauptaufgabe der Ministerin.

Das Beschaffungsrecht und seine Fallstricke

Es ist aber keineswegs so, als gebe es nicht umfangreiche Studien über das notorisch gewordene Missmanagement im Koblenzer Beschaffungsamt und zum Beschaffungsrecht. In dessen Fallstricken verfängt sich manches Ausrüstungsprojekt der Streitkräfte und bleibt dann für Jahre unvollendet. Das betrifft aktuell etwa das neue Sturmgewehr und den dringend benötigten neuen Transporthubschrauber. Beide Vorhaben wurden vor langer Zeit begonnen und sind noch nicht einmal in die Produktionsphase eingetreten.

Wobei man wissen muss, dass es selbst danach, also wenn die Gerätschaften bereits bei der Bundeswehr sind, noch Jahre des Weiterbastelns dauern kann, bis sie einsatzbereit sind. Das galt beispielsweise für das Transportflugzeug A400M, die Tiger-Hubschrauber, aktuell geht es um den Schützenpanzer Puma. Von diesem Musterexemplar genügen derzeit etwa vier Dutzend von 350 Fahrzeugen den aktuellen NATO-Anforderungen. Ob der Panzer „kriegstauglich“ wird, wie der Inspekteur des Heeres es verlangt, steht dahin. Dass der Puma der schwerste und teuerste Schützenpanzer weltweit sei, behauptet jedenfalls nicht nur Wikipedia.

Lambrecht geht am 19. Dezember zusammen mit Hagen Ruppelt (rechts), Kommandeur der multinationalen Enhanced Forward Presence Battlegroup, über den Nato-Stützpunkt im litauischen Rukla.
Lambrecht geht am 19. Dezember zusammen mit Hagen Ruppelt (rechts), Kommandeur der multinationalen Enhanced Forward Presence Battlegroup, über den Nato-Stützpunkt im litauischen Rukla. :Bild: dpa

Die Ministerin täte also gut daran, zunächst einmal Namen und militärische Kürzel der wichtigsten Krisenprojekte des Beschaffungswesens auswendig zu lernen. Für manche wird Lambrecht schon sehr bald Vorschläge unterbreiten, die den Steuerzahler Milliarden kosten werden und deren Beschaffung im Ernstfall über Wohl und Wehe entscheidet. So etwa die Bewaffnung der Heron-TP-Drohnen, ebenso die Anschaffung von Kampfflugzeugen zur Nachfolge der altersschwachen Tornados.

„Europäische Lösung“ statt F-18?

Auch hier hat sich die neue Ministerin in der Boulevardpresse schon sehr nach Art einer fortgeschrittenen Kommandoinhaberin geäußert. Man werde, kündigte sie an, nun „ganz konsequent“ eine „europäische Lösung prüfen“. Das widerspricht diametral dem Votum ihrer Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). Das wäre noch kein Problem, denn Lam­brecht ist politisch frei, deren Vorgaben zu ändern. Die Äußerung widerspricht allerdings auch dem militärischen Ratschlag des Inspekteurs der Luftwaffe, der sich für die Beschaffung amerikanischer F-18-Kampfflugzeuge ausgesprochen hat. Diese sollen zudem für die nukleare Teilhabe zertifiziert werden.

Lambrecht brachte nun aber in der „Bild“ vor, man müsse klären „ob und wie schnell“ die Vereinigten Staaten den Eurofighter für atomare Waffen zertifizieren würden. Egal wie schnell das ginge, es würde mehrere Jahre dauern. Und zugleich ist klar, dass die verbleibenden Tornados spätestens bis 2030 außer Dienst treten müssen. In befreundeten Luftwaffen, wie etwa der britischen Royal Air Force, wurde der letzte dieser Jäger aus den Achtzigern des vorigen Jahrhunderts bereits gänzlich außer Betrieb genommen. Die Luftwaffe hingegen weidet aus ihren Restbeständen Ersatzteile aus, um für die kommenden Jahre einige Tornados flugbereit zu halten.

Sollte Lambrecht die F-18-Bestellung in Zweifel ziehen, müsste sie ganz konsequent auch die Konfrontation mit dem charismatischen Luftwaffen-Chef suchen. Denn der Koalitionsvertrag sieht vor, dass die Entscheidung bald fällt. Auch in einem weiteren Bereich drängt die Zeit schon jetzt: Die aktuellen Mali-Mandate für die Bundeswehr laufen Ende Mai aus. Nach dem Scheitern in Afghanistan haben die Ampelparteien in ihrem Koalitionsvertrag eine kritische Überprüfung der europäischen Ausbildungsmission (EUTM) und des UN-Einsatzes (MINUSMA) vereinbart.

Die außenpolitische Federführung der Einsätze liegt beim Auswärtigen Amt. Doch wird Lambrecht nach dem Weihnachtsurlaub kaum umhinkommen, sich vor Ort ein eigenes Bild der Lage zu machen. Im Bundestag laufen unterdessen Vorbereitungen, um sowohl den Rettungseinsatz von Kabul als auch das Gesamtengagement in Afghanistan seit 2002 in einem Untersuchungsausschuss und einer Kommission zu prüfen.

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