Montag, 7. Februar 2022

Der Antrittsbesuch von Olaf Scholz in Washington gerät zum demonstrativen Schulterschluss zwischen Deutschland und den USA im Konflikt mit Russland. Doch während US-Präsident Biden den neuen Kanzler als Verbündeten lobt, weicht der in einer zentralen Frage weiter aus.

 Schatten überm Antrittsbesuch

Biden droht, Scholz druckst

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Biden zeigt Scholz, wo es lang geht.

(Foto: picture alliance/dpa)



Der Antrittsbesuch von Olaf Scholz in Washington gerät zum demonstrativen Schulterschluss zwischen Deutschland und den USA im Konflikt mit Russland. Doch während US-Präsident Biden den neuen Kanzler als Verbündeten lobt, weicht der in einer zentralen Frage weiter aus.

Rund zehn Minuten bleiben US-Präsident Joe Biden und Bundeskanzler Olaf Scholz, um die wichtigste Botschaft nach ihrer ersten Vier-Augen-Unterredung unterzubringen. Sinngemäß: Im Konflikt mit Russland und den westlichen Staaten passe kein Blatt Papier zwischen die USA und Deutschland. Kaum aber, dass die beiden ihre Statements gesprochen haben, reißt die erste Frage aus dem im Weißen Haus versammelten Pressetross die Fassade vom engstmöglichen Schulterschlusses bereits wieder ein. Wie es sich denn mit dem Pipeline-Projekt Nord Stream 2 verhalte, sollte russisches Militär in die Ukraine eindringen, will eine Journalistin wissen.

"Wenn Russland einmarschiert - das bedeutet, dass Panzer und Soldaten die Grenze zur Ukraine erneut überschreiten - dann wird es kein Nord Stream 2 mehr geben", antwortet Biden umgehend. Auf die Nachfrage hin, wie genau das geschehen soll - schließlich liege die Entscheidungsgewalt bei der deutschen Regierung -, bleibt Biden vage. "Das verspreche ich", ergänzt er. "Wir werden dem ein Ende bereiten." Die USA hätten die Mittel zur Verhinderung der Pipeline-Nutzung und würden es tun, sagt der Präsident.

Scholz stimmt auf Umwegen zu

Das klingt nach einer Drohung nicht nur gegen Russland, sondern auch gegen den eben noch so gelobten Verbündeten Deutschland. Schließlich waren die USA im vergangenen Jahr schon einmal drauf und dran, alle an Nord Stream 2 beteiligten Firmen mit Sanktionen zu belegen, darunter viele deutsche Unternehmen. Es war Biden persönlich, der derartige Sanktionen des US-Kongresses aus Rücksicht auf die geschätzten Alliierten in Berlin verhinderte. Nun aber, im Angesicht von mehr als 120.000 Soldaten an der ukrainischen Grenze, bringt Biden die Sanktionen explizit zurück ins Spiel.

Und der neben ihm stehende Bundeskanzler? Olaf Scholz wiederholt im Wesentlichen das, was er seit Wochen in der Öffentlichkeit sagt: Es werde in diesem Falle "harte" und "weitreichende" Maßnahmen geben, die aber bewusst nicht ausbuchstabiert würden, um Wladimir Putin über die genauen Kosten einer Ukraine-Invasion im Unklaren zu lassen. Keine der vielen Fragen zum Thema bringt Scholz dazu, die Wörter Nord Stream 2 auszusprechen. Aber: "Es wird keine Maßnahmen geben, bei denen wir unterschiedlich agieren", sagt Scholz. Das muss so verstanden werden, dass sich die Bundesregierung einem Stopp des milliardenschweren Pipeline-Projekts nicht in den Weg stellen würde. Das entspricht auch der Linie der mitregierenden Grünen. Warum dann aber das Scholz'sche Herumdrucksen?

Biden gibt alles

Offenbar in Sorge, ob seine abwägenden Sätze vernünftig übersetzt werden, wechselt Scholz von sich aus ins Englische: "Wir werden einig sein, wir werden gemeinsam handeln, wir werden alle erforderlichen Schritte ergreifen", sagt er mit seinen bekanntermaßen soliden Kenntnissen der Gastgebersprache. Ob damit das nicht nur in den USA kursierende Bild vom wankenden Alliierten Deutschland korrigiert ist? Joe Biden jedenfalls tut alles dafür, Scholz und Deutschland als einen hervorragenden Verbündeten darzustellen.

Der Bundeskanzler genieße das "vollständige Vertrauen der Vereinigten Staaten". Deutschland stehe "mit an der Spitze bei Wirtschaftshilfen" für die Ukraine, wiederholt Biden eines der wichtigsten Argumente der Bundesregierung. "Deutschland ist in jeder Hinsicht uneingeschränkt zuverlässig", sagt Biden. Fragen zur deutschen Weigerung, Waffen an die Ukraine zu liefern, vergisst der US-Präsident genauso zu beantworten, wie die Frage, ob auch die US-Seite die möglichen Kosten einer Ukraine-Invasion für Russland vage halten wolle, so wie es Scholz immer wieder sagt.

"Friends" oder schon Freunde?

Es sind auch Temperamentunterschiede zwischen den überschwänglich höflichen US-Amerikanern und dem zurückhaltenden Norddeutschen Scholz, die im Weißen Haus zutage treten. "Das war ein sehr gutes Treffen", sagt Biden. Und: "Wir sind enge Freunde und gute Partner." Das klingt regelrecht überschwänglich im Vergleich zu Scholz, der sich einer Bewertung des Treffens enthält und auch sonst keine lobenden Worte für seinen Gastgeber verliert. Dass Scholz den US-Präsidenten duzt, ist schon das größte öffentliche Zeichen persönlicher Nähe, lässt sich aber nicht ins Englische übersetzen.

Die persönliche Beziehung von Biden und Scholz scheint noch ausbaufähig, aber solide zu sein. Die beiden eint nicht nur der Wille, im aktuellen Konflikt mit Russland den Kreml durch Drohungen und Gesprächsangebote zum Rückzug zu bewegen. Beide Regierungen verfolgen auf anderen Feldern ähnliche Ziele, sei es beim Klimaschutz, beim Umgang mit China oder auch bei der in Deutschland derzeit wenig beachteten Balkankrise. Deutschlands G7-Vorsitz im kommenden bietet daher Gelegenheit zur vertieften Kooperation und zum persönlichen Austausch. Freundschaften im hanseatischen Sinne brauchen schon mehr Zeit als einen ersten, auf Arbeitsthemen fokussierten Antrittsbesuch, wie ihn Scholz am Montag absolviert hat.

Quelle: ntv.de

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