Dienstag, 22. Februar 2022

Thema des Tages: Jetzt muss der Westen Entschlossenheit und Härte zeigen – sonst lädt er Putin nur zu weiteren Aggressionen ein

 

Thema des Tages: Jetzt muss der Westen Entschlossenheit und Härte zeigen – sonst lädt er Putin nur zu weiteren Aggressionen ein
Russische Panzer wie hier am 22. Februar in der Region Rostow stehen noch immer nahe an der ukrainischen Grenze.
EPA
Monatelang hat die Welt über die Motive gerätselt, die hinter dem gewaltigen russischen Truppenaufmarsch an den Grenzen zur Ukraine stehen. War es bloss ein harmloses Manöver, wie der Kreml stoisch behauptete? War es eine Drohkulisse, um die Nato zum Truppenabzug aus Ostmitteleuropa zu bewegen? Wollte Präsident Putin auf diesem Weg die Ukraine dazu drängen, endlich das Minsker Abkommen von 2015 nach seinen Vorstellungen umzusetzen?
Das Rätseln hat ein Ende. Der bizarre Auftritt von Präsident Putin und seinem Sicherheitsrat am Montag im Kreml und der noch in derselben Nacht in aller Offenheit eingeleitete Einmarsch russischer Truppen in den Donbass haben zwei Dinge geklärt: Putin streitet, erstens, der Ukraine das Recht auf nationale Souveränität ab und behauptet gar, die Ukraine habe gar keine Tradition als Staat.
Die westliche Nachkriegsordnung ist Geschichte
Zweitens machte Putin klar, dass er sich weder um das Völkerrecht noch um westliche Mahnungen schert, wenn er seine Ziele verfolgt. Mit der Anerkennung der abtrünnigen Gebiete im Donbass als souveräne Staaten und dem offiziellen Truppeneinmarsch hat Russland eine rote Linie überschritten. Das Minsker Abkommen ist damit Makulatur, es gibt keine Vorlage mehr für eine zusammen mit dem Westen verhandelte friedliche Konfliktlösung im Donbass. Zudem ist der Grundkonsens der europäischen Nachkriegsordnung zerstört worden, wonach Staatsgrenzen nicht mehr mit militärischer Gewalt verschoben werden.
Die langfristigen Folgen können gar nicht überschätzt werden. Die Sicherheitsinteressen Westeuropas stehen auf dem Spiel. Das muss Konsequenzen haben. Die westliche Staatengemeinschaft sollte nun alles mobilisieren, was sie Putin entgegenhalten kann.
Dabei ist es strategisch nicht entscheidend, was genau die nächsten Schritte des Kreml sein werden. Wird Putin sich mit der Stationierung von Truppen in den beiden selbsternannten Teilrepubliken begnügen? Wird er deren Territorium mit Waffengewalt auf das ganze Gebiet des Donbass ausweiten? Oder steht der Ukraine eine flächendeckende Invasion der russischen Truppen bevor?
Der Westen lässt sich von Putin vorführen
Amerikanische und britische Geheimdienste und Regierungsvertreter sind von einem Grossangriff überzeugt. Was Putin als Nächstes plant, weiss allerdings niemand. Was wir aber mittlerweile zur Genüge haben, ist die Erfahrung, dass im Umgang mit Putin das Prinzip Hoffnung ein schlechter Ratgeber ist. Putin hat immer und immer wieder bewiesen, dass er bei Ruchlosigkeit und Brutalität die schlimmsten Befürchtungen übertrifft, wenn er ein strategisches Ziel verfolgt. Dem von Russland angefachten Krieg im Donbass sind seit 2014 mindestens 14 000 Personen zum Opfer gefallen. In Syrien wurden Spitäler und Schulen gezielt bombardiert, selbst der Einsatz von Giftgas gegen die Zivilbevölkerung war kein Tabu. Und in Russland wird die politische Opposition verprügelt, vergiftet und in Straflager geschickt.
Die Hoffnung, Putin mit weiteren Verhandlungen über den Status der Ukraine in letzter Minute von einem grösseren Feldzug abzuhalten, ist extrem unrealistisch geworden. Der Westen sollte sich nicht daran klammern. Er ist besser beraten, wenn er sich auf das schlimmstmögliche Szenario einstellt: Mit der blossen Stationierung von Truppen in den abtrünnigen Gebieten hat Moskau bisher wenig gewonnen, da es diese Gebiete schon seit 2014 kontrolliert. Dass es Putin dabei belassen wird, ist wenig wahrscheinlich. Putin will aller Voraussicht nach mehr.
Deshalb wäre es falsch, wenn sich der Westen jetzt aus Rücksicht auf mögliche weitere Verhandlungen zurückhielte, um Putin nicht zu vergraulen. Er würde damit bloss nach Putins Pfeife tanzen. Vielmehr sollte der Westen sich stark, einig und bereit zu harten Sanktionen gegen das russische Unrechtsregime zeigen. Wenn nicht jetzt, wann dann? Putin hat der Ukraine das Existenzrecht abgesprochen. Er hat die wichtigste Verhandlungsbasis beerdigt. Und er ist vor den Augen der Welt in die Ukraine einmarschiert. Wenn Europa auf diese Eskalation zaudernd reagiert, verliert es seine Glaubwürdigkeit als Gegenmacht, die dem russischen Imperialismus entgegentritt. Die Folgen wären fatal.
Sanktionen allein genügen nicht
Wird der Westen Putin mit harten Wirtschaftssanktionen stoppen können? Nach aller Erfahrung ist das wenig wahrscheinlich. Der Kreml hat diese wohl längst einkalkuliert. Der Westen hat es kaum mehr in der Hand, Putins Plan zu vereiteln. Dafür ist es zu spät.
Trotzdem sind die Sanktionen nötig, um dem Kreml Entschlossenheit zu demonstrieren und ihm klarzumachen, dass sein Vorgehen inakzeptabel ist. Doch das genügt nicht. Westeuropa, um dessen Sicherheitsinteressen es hier geht, muss in den nächsten Jahren die richtigen Lehren aus der Ukraine-Krise ziehen. Dazu gehört die Einsicht, dass die durch den Mauerfall 1989 ermöglichte Friedensdividende Geschichte ist. Es braucht ein klares Bekenntnis zur konsequenten Stärkung der Selbstverteidigung und zur Nato. Die Ostflanke der EU und der Nato muss militärisch besser abgesichert werden. Es braucht eine langfristige Strategie, um die westliche Interessensphäre in Osteuropa zu definieren und durch entsprechende Massnahmen zu verteidigen.
 
Meine Highlights aus der «Neuen Zürcher Zeitung»
Russlands Präsident Wladimir Putin sorgte mit seiner Rede zur Ukraine für Aufsehen.
EPA
Nach Putins Wutrede wirken deutsche Politiker reichlich naiv
  • Darum geht es: Mit der Ansprache des russischen Präsidenten Wladimir Putin scheine der deutsche Ansatz, auf eine diplomatische Lösung der Ukraine-Krise hinzuwirken, vorerst gescheitert zu sein, analysiert mein Kollege Hansjörg Friedrich Müller.
  • Deshalb empfehle ich den Artikel: Der Druck auf die Berliner Politik, eine klarere Haltung gegenüber Moskau einzunehmen, sei weiter gestiegen. Das gelte nicht nur für die SPD, sondern auch für die Unionsparteien.

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