Samstag, 2. April 2022

m 38. Tag des Krieges gegen die Ukraine kann die Hauptstadt-Region vorsichtig aufatmen. Die russischen Angreifer sind besiegt oder abgezogen. Nun offenbart sich auch dort das Ausmaß der Verheerungen. Präsident Selenskyj bereitet die Menschen im Osten und Süden des Landes auf schwere Kämpfe vor.

 Der Kriegstag im Überblick

"Region Kiew befreit" - Russische Truppen wenden sich nach Osten

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Die russischen Truppen haben sich aus der Region um Kiew zurückgezogen.

(Foto: REUTERS)



m 38. Tag des Krieges gegen die Ukraine kann die Hauptstadt-Region vorsichtig aufatmen. Die russischen Angreifer sind besiegt oder abgezogen. Nun offenbart sich auch dort das Ausmaß der Verheerungen. Präsident Selenskyj bereitet die Menschen im Osten und Süden des Landes auf schwere Kämpfe vor.

In der Ukraine tritt sechs Wochen nach dem russischen Überfall der Krieg zunehmend in eine neue Phase. In der Umgebung der Hauptstadt Kiew haben russische Truppen nach britischen Geheimdienstinformationen und ukrainischen Angaben vielerorts den Rückzug angetreten. Am Abend teilte das Verteidigungsministerium mit: "Die gesamte Region Kiew ist vom Angreifer befreit." Für die nachrückenden Ukrainer und die Berichterstatter bieten sich in den befreiten Orten immer wieder Bilder des Grauens. Derweil verstärkten die Angreifer ihren Druck auf Gebiete im Osten und Süden des Landes. Moskau wolle nun im Süden und Osten "die Kontrolle über große besetzte Gebiete behalten", sagte der ukrainische Präsidentenberater Michailo Podoljak. Für die Menschen in der schwer bedrängten Hafenstadt Mariupol gibt es trotz einer weiteren Hilfsaktion des Roten Kreuzes weiter keinen Ausweg aus den Kriegsgräueln.

Ukrainische Truppen setzten nach britischen Informationen russischen Verbänden nach, die sich aus den nordwestlich von Kiew gelegenen Vorstädten Irpin, Butscha und Hostomel zurückzogen. In Butscha sind nach Behördenangaben fast 300 Menschen in Massengräbern beerdigt worden. Die Straßen der durch die Kämpfe stark zerstörten Kleinstadt seien mit Leichen übersät, sagte Bürgermeister Anatoly Fedoruk. "In einigen Straßen sieht man 15 bis 20 Leichen auf dem Boden liegen." Er könne aber nicht sagen, wie viele Tote es insgesamt nach den wochenlangen Kämpfen in Butscha gebe. 280 Menschen mussten nach seinen Angaben bereits in Massengräbern beigesetzt werden, da die Kapazitäten der drei städtischen Friedhöfe nicht ausreichten.

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Die Überreste des einst größten Flugzeugs der Welt, der Antonov 225.

(Foto: REUTERS)

Auch vom Frachtflughafen Hostomel, der seit Beginn des Krieges am 24. Februar umkämpft war, zogen sich die Invasionstruppen demnach zurück. Laut ukrainischem Generalstab räumten russische Truppen auch die Sperrzone um die Atomruine Tschernobyl sowie die angrenzenden Gebieten und zogen ins Nachbarland Belarus. Sie sollten von dort augenscheinlich in das russische Gebiet Belgorod verlegt werden, um von dort aus nach Charkiw vorzustoßen.

Russland hat "andere Taktik gewählt"

Mit Blick auf die Truppenbewegungen sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj, er erwarte "mächtige Angriffe" im Osten, vor allem auf das seit Wochen belagerte Mariupol. "Russische Soldaten werden in den Donbass geholt. Genauso in Richtung Charkiw." Russland habe eine "andere Taktik gewählt", erklärte Podoljak. Moskau wolle seine Truppen "nach Osten und Süden zurückziehen und dort die Kontrolle über große besetzte Gebiete behalten" und dort "knallhart seine Bedingungen diktieren". Die Ukraine brauche nun "schwere Waffen", um in besetzte Gebiete im Süden und Osten vorzustoßen "und die Russen so weit wie möglich zurückzudrängen", sagte er.

Selenskyj rief die Bevölkerung im russisch besetzten Süden auf, keine Ämter für das Besatzungsregime anzunehmen. Nach ukrainischen Angaben versucht Russland, in den besetzten Gebieten moskautreue Verwaltungen aufzubauen. Parallel zu den Kämpfen liefen im Hintergrund auch weitere Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien. Zum Stand der Gespräche, die in der Regel per Videoschalte stattfinden, wurde aus den Delegationen nichts bekannt.

Angriff auf Dnipro - Raffinerie getroffen

In der stark zerstörten und seit Wochen belagerten Stadt Mariupol hofften indes viele der schätzungsweise 100.000 verbliebenen Einwohner auf einen neuen Evakuierungsversuch durch das Rote Kreuz. Ein Team brach dazu in der Stadt Saporischschja auf, wie ein Sprecher des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) mitteilte. Parallel dazu war nach Angaben von Vize-Ministerpräsidentin Irina Wereschtschuk geplant, Menschen in Privatautos aus Mariupol herauszubringen. Ähnliche Fluchtkorridore sollte es in weiteren umkämpften Städten geben, darunter im westlich von Mariupol gelegenen Berdjansk.

Weiter nördlich, aus der Umgebung von Dnipro, waren in der Nacht schwere Explosionen gemeldet worden, wie das Online-Portal "Ukrajinska Prawda" unter Berufung auf die Gebietsverwaltung berichtete. In Dnipro und Krementschuk im Landesinneren wurde nach ukrainischen Angaben wichtige Infrastruktur getroffen, darunter die größte Ölraffinerie des Landes. Das russische Verteidigungsministerium erklärte, mit "hochpräzisen Waffen" Treibstofflager zerstört zu haben.

Das russische Verteidigungsministerium erklärte, in der Nähe von Dnipro einen Militärflugplatz zerstört zu haben, ebenso wie einen weiteren bei Poltawa. Insgesamt seien innerhalb eines Tages 67 militärische Objekte zerstört worden, darunter auch Munitionslager, sagte ein Sprecher. Wie alle Berichte aus den Kampfzonen waren die Angaben nicht unabhängig überprüfbar.

Polen will neue Sanktion - Moskau droht mit Ende der ISS

Während sich die polnische Regierung für eine weitere Verschärfung der EU-Sanktionen gegen Russland aussprach, drohte Moskau mit einem Ende der Zusammenarbeit auf der Internationalen Raumstation ISS. Sollten die USA und andere westliche Staaten ihre Sanktionen nicht zurücknehmen, werde die Moskauer Führung in Kürze Fristen für ein Ende der Kooperation vorschlagen, teilte der Chef der Raumfahrtbehörde, Dmitri Rogosin, mit.

Unterdessen wollen die USA weitere Waffen im Wert von 300 Millionen Dollar (etwa 271 Millionen Euro) liefern, darunter Drohnen, Raketensysteme, gepanzerte Fahrzeuge, Munition, Nachtsichtgeräte, sichere Kommunikationssysteme, Maschinengewehre und medizinische Güter. Bislang hat die US-Regierung Militärhilfen und Waffenlieferungen von 1,65 Milliarden Dollar zugesagt.

In Deutschland trafen nach Angaben der Bundespolizei innerhalb eines Tages rund 5300 weitere Flüchtlinge aus der Ukraine ein. Damit stieg die Zahl der aufgenommenen Kriegsflüchtlinge auf nahezu 300.000, wie das Bundesinnenministerium mitteilte. Die meisten Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine halten sich im Nachbarland Polen auf: mehr als 2,4 Millionen Menschen. Insgesamt sind schon mehr als vier Millionen Menschen aus der ehemaligen Sowjetrepublik geflohen - etwa ein Zehntel der bisherigen Bevölkerung.

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