Absprache zu westlichen Systemen
NATO will Ukraine keine schweren Panzer liefern
25.05.2022, 20:55 UhrDie Waffenlieferungen der NATO-Staaten an die Ukraine sind eine Gratwanderung. Sie könnten in Moskau als Provokation aufgefasst werden. Daher gab es bisher kaum bekannte Absprachen, bestimmte schwere Waffen nicht zu liefern. Nun wird bekannt, welche.
Unter den NATO-Staaten gibt es nach dpa-Informationen informelle Absprachen zum Verzicht auf die Lieferung bestimmter Waffensysteme an die Ukraine. Bündniskreise in Brüssel bestätigten, dass dadurch das Risiko einer direkten militärischen Konfrontation zwischen NATO-Staaten und Russland möglichst gering gehalten werden. Befürchtet wird so zum Beispiel, dass Russland die Lieferung westlicher Kampfpanzer und Kampfflugzeuge offiziell als Kriegseintritt werten könnte und dann militärische Vergeltungsmaßnahmen ergreift. Waffensysteme dieser Art wurden bislang nicht in die Ukraine geliefert.
Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Wolfgang Hellmich, bestätigte am Abend, dass die NATO informell verabredet habe, unabgesprochen keine schweren Kampf- oder Schützenpanzer westlicher Bauart in die Ukraine zu liefern. "Darüber wurde der Verteidigungsausschuss Mitte Mai vollumfänglich informiert", sagte Hellmich.
Formale Beschlüsse der Nato gebe es schon deswegen nicht, weil das Bündnis als solches selbst keine Waffen liefere, sondern die einzelnen Mitgliedstaaten, erläuterte Hellmich. Bislang hätten sich aber alle Partner an die informelle Verabredung gehalten. "Wer etwas anderes behauptet, hat entweder nicht richtig zugehört oder erzählt wissentlich die Unwahrheit", sagte Hellmich.
Siemtje Möller sorgte für Diskussionen
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte am 11. Mai dem Verteidigungsausschuss Rede und Antwort gestanden. Schon damals hatte Hellmich nach der Sitzung von einer Entscheidung der Nato gesprochen, "keine schweren Kampfpanzer zu liefern, keinen Leclerc und keinen Leopard". Das sei in der NATO "untereinander entschieden und beschlossen worden".
Am Sonntag hatte die Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Siemtje Möller von der SPD dann im ZDF gesagt, es sei innerhalb der NATO festgehalten, "dass keine Schützen- oder Kampfpanzer westlichen Modells geliefert werden". Das hatte für Diskussionen gesorgt.
Schützenpanzer sind kleiner und leichter als Kampfpanzer. Die Bundeswehr hat Kampfpanzer vom Typ Leopard und Schützenpanzer vom Typ Marder. Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat angeboten, gebrauchte Exemplare beider Modelle direkt in die Ukraine zu liefern. Über eine formelle Entscheidung der Bundesregierung darüber ist nichts bekannt. Sie hat bisher nur die Lieferung zweier Arten von schweren Waffen in die Ukraine öffentlich zugesagt: Gepard-Luftabwehrpanzer und Panzerhaubitzen 2000 (schwere Artilleriegeschütze). Die Ukraine fordert von Deutschland aber auch die Lieferung von Kampf- und Schützenpanzern für die Verteidigung gegen die russischen Angreifer.
Risikoanalysen könnten sich ändern
Indirekt bestätigt wurden Absprachen in der Vergangenheit unter anderem von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Dieser sagte im März nach einem Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs der Nato-Staaten zum Thema Waffenlieferungen: "Es gibt eine Grenze, die darin besteht, nicht Kriegspartei zu werden." Diese Grenze werde von allen Alliierten geteilt und deswegen liefere bislang niemand Waffen wie Flugzeuge.
Die NATO nimmt die Bundesregierung hingegen in Schutz. "Deutschland hat der Ukraine Tausende von Waffen zur Verfügung gestellt, darunter Flugabwehrraketen und Panzerabwehrraketen", teilte ein Sprecher mit. Zudem begrüße man auch die deutsche Entscheidung, der Ukraine Artilleriewaffen und Flugabwehrpanzer zur Verfügung zu stellen.
In Bündniskreisen wurde vor diesem Hintergrund auch betont, dass die Risikoanalysen zu Waffenlieferungen ständig aktualisiert werden. Demnach ist es nicht ausgeschlossen, dass irgendwann einmal doch auch westliche Kampfpanzer und Kampfjets in die Ukraine geliefert werden.
Quelle: ntv.de, vpe/dpa
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