Erst Frankreich, dann Schlesinger. Es sind keine guten Zeiten für das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem. Nach dem auch die französische Nationalversammlung für den Wegfall der Rundfunkgebühren gestimmt hat und in Deutschland die RBB-Intendantin den ARD-Vorsitz nach einer Affäre um Vetternwirtschaft und Korruptionsvorwürfen abgeben musste, ist das System wieder einmal mit sich selbst beschäftigt. |
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In der 20-Uhr-Tagesschau fand die revolutionäre Entscheidung aus Frankreich in den vergangenen Tagen zwar keine Erwähnung, der Teil-Rückzug Schlesingers aber schaffte es immerhin in eine 22-Sekunden-Meldung. Nichts fürchten die öffentlich-rechtlichen Medien so sehr wie eine Debatte über sich selbst. Über Strukturen, über Finanzierung und über den Sinn eines Angebots, das immer weniger junge Menschen konsumieren wollen. Deutschland leistet sich den teuersten öffentlichen Rundfunk der Welt. Für 21 TV-Sender und 73 Radiosender geben die Gebührenzahler rund 8,5 Milliarden Euro pro Jahr aus. Das ist mehr als der Etat des Landwirtschaftsministeriums. Es sind 3,5 Milliarden Euro mehr als der Bund für den Digitalpakt Schule ausgibt. Es sind 7 Milliarden Euro mehr als die jährlichen Kosten – Personal und Betrieb – des Deutschen Bundestages, immerhin das zweitgrößte Parlament der Welt. |
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Zum Vergleich: Die britische BBC, kein qualitativ minderwertiger Spartensender, kommt mit knapp der Hälfte des Geldes aus. Die zentrale Frage: Ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk sein Geld wert? Der Fall Schlesingers, die mit Luxus-Dienstwagen und zwei Chauffeuren in eine Affäre rund um Vetternwirtschaft und Spesenrittertum fuhr, aber ihren mit 300.000 Euro jährlich dotierten Posten als RBB-Intendantin offenbar behalten will, richtet den Scheinwerfer auf eine Parallelgesellschaft, in der Effizienz und Transparenz, Kontrolle und Kritik, weitgehend unerwünscht sind. Der Gebührenzahler zahlt ja. Seit 2013 gibt es die Geräte-unabhängige Gebühr für das staatliche Medienangebot. |
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Was WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn damals eine „Demokratieabgabe” nannte, ist auch eine Gebühr für ein System, das Werbung zur besten Sendezeit erlaubt, 215 Millionen Euro für die Übertragung von Fußball-Weltmeisterschaften und Millionen für Schlager-Shows, Telenovelas und Quizsendungen ausgibt. Und für Intendanten, die so viel verdienen wie der Bundeskanzler und sich Privilegien leisten, die Geschäftsführer eines mittelständischen Familienunternehmens schon alleine aus Respekt vor ihren Beschäftigten ablehnen würden. Ist in einer digital vernetzten Informationsgesellschaft, in der jeder und jede zu jedem Thema auch ein Informationsangebot findet, ein solch üppiges System zu rechtfertigen? Wieso erlaubt eine freiheitliche Gesellschaft verpflichtende Gebühren für ein Angebot, das viele gar nicht nutzen wollen? |
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Wer will schon Hundesteuer zahlen, wenn er keinen Hund besitzt und auch nie einen haben wollte? Die Öffentlich-Rechtlichen räumen in ihren Programmen der Identitätspolitik viel Raum ein. Sie brauchen eine Identitätsdebatte in eigener Sache. Wer braucht die ARD? Und wenn ja, wie viele? Der zentrale Auftrag der Nachkriegszeit, eine mediale Grundversorgung als Bollwerk gegen die Propaganda einer Partei aufzubauen, ist erfüllt und heute kein Thema mehr. Heute braucht es exzellente Informationen und politische Aufklärung, aber kein Vollprogramm mit Karneval, Klamauk und Kai Pflaume. In der Business Class nennen wir deshalb heute fünf Argumente – und nutzen dafür auch einige bizarre Beispiele – warum der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine Radikalkur braucht und dennoch erhalten bleiben sollte. |
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