Natürlich wollen die Sender wie alle Bürokratien mehr Geld und mehr Stellen und rechtfertigen dies mit mehr Programmen. Braucht die Welt zusätzliche Angebote wie «Funk» oder «ZDF Neo»? Gehört zur Grundversorgung «Die Helene-Fischer-Show», oder könnte man das getrost den Privaten überlassen
Natürlich wollen die Sender wie alle Bürokratien mehr Geld und mehr Stellen und rechtfertigen dies mit mehr Programmen. Braucht die Welt zusätzliche Angebote wie «Funk» oder «ZDF Neo»? Gehört zur Grundversorgung «Die Helene-Fischer-Show», oder könnte man das getrost den Privaten überlassen? Die einen werden dies vehement bejahen, die anderen genauso vehement bestreiten. So ist eine Gebührenerhöhung letztlich eine politische Entscheidung – nur dass sie nicht von Politikern, sondern von einem anonymen Gremium getroffen wird.
Die Finanzierung der Sender muss endlich demokratisch kontrolliert werden
Der WDR-Intendant Tom Buhrow windet sich vor Zerknirschung angesichts des jetzt aufgedeckten Augiasstalles. Wenn er in einem Interview zugibt, er habe «leider ja» ebenfalls einen teuren Dienstwagen mit Massagesitzen, dient das jedoch allein der Ablenkung.
Ich würde jedem Intendanten drei Autos mit Chauffeur und Massagesitzen gönnen, wenn die Gebührenzahler auf die Finanzierung des ÖRR endlich Einfluss nehmen könnten. Das werden Buhrow und seine Kollegen aber auch in Zukunft zu verhindern wissen. Patricia Schlesinger dient so als bequemer Sündenbock für ein falsches System.
Wer die öffentlichrechtlichen Medien wirklich reformieren will, muss an der Wurzel ansetzen. Die Parlamente sollten eine echte und nicht bloss fiktive Verantwortung für die Finanzierung erhalten. Wenn über die Höhe der Rundfunksteuer öffentlich gestritten wird, wenn sich die Parteien für ihre Positionen rechtfertigen müssen, dann wird es sehr viel schwieriger, eine Gebührenerhöhung durchzuwinken.
Begründet wird das seltsame Konstrukt der KEF mit dem Begriff der Staatsferne. Der öffentlichrechtliche Journalismus soll kein Staatsfunk sein, sondern in vollkommener Unabhängigkeit berichten. Die Politiker, über die berichtet wird, sollen nicht die Gebühren festsetzen. Eine schöne Idee, die dennoch nicht verhindert, dass im Verwaltungsrat des ZDF vier Ministerpräsidenten sitzen. Staatsnäher geht es kaum.
Auch das Finanzierungsmodell mit der KEF fördert nicht die Staatsferne, sondern allenfalls ein unkontrolliertes Eigenleben der Sender. Man muss sich entscheiden zwischen einer imperfekten Unabhängigkeit und einem perfekten Selbstbedienungsladen.
Der gutgemeinte Gedanke der Staatsferne ist längst zur Alibiübung verkommen. Sie kaschiert die politische Einflussnahme und schützt die Beteiligten vor der Kritik der Bürger und Bürgerinnen. Nutzniesser sind die Rundfunkanstalten und die Parteien, deren überragende Macht sich im Verborgenen entfaltet.
Der Schlüssel zur Reform des ÖRR ist und bleibt die Finanzierung. Um die Extravaganzen einer Patricia Schlesinger zu verhindern, genügen nicht rituelle Empörung und die Wahl eines bescheideneren Nachfolgers. Die Sender müssen den Parlamenten und damit der Öffentlichkeit tatsächlich und nicht nur auf dem Papier rechenschaftspflichtig werden.
Eine Schweizer Initiative will die Gebühren halbieren
Wenn die Abgeordneten gegenüber ihren Wählern begründen müssen, weshalb sie zusätzlichen Programmen und aufwendigen Bauvorhaben den Vorzug geben vor einer Senkung der Gebühren, stellt sich die Sparsamkeit schnell ein. Umgekehrt werden sie sich gut überlegen, ob sie einen kritischen Sender mit Budgetkürzungen bestrafen, denn solche Racheakte werden genauso rasch publik.
Die Öffentlichkeit ist das wirksamste Instrument der Demokratie. Sie kontrolliert am ehesten die halbstaatlichen Sender, die ein Widerspruch in sich selbst sind – wie übrigens auch die privatwirtschaftlichen Medien. Die einen verdanken ihre Existenz der Politik und sollen doch fern vom Einfluss der Parteien ihren Auftrag erfüllen. Die anderen sehen sich als vierte Gewalt im Staat und unterliegen zugleich kommerziellen Interessen.
Perfekt ist kein System; es kann nur darum gehen, ohne ideologische Scheuklappen den besten Umgang mit der Unvollkommenheit zu finden. Die öffentlichrechtlichen Medien müssen einer demokratischen Kontrolle unterworfen werden, die den Namen verdient. Die privaten Medien sollen nicht mit staatlichen Subventionen an die Kette der Politik gelegt werden.
Ob die deutschen Parteien bereit sind, den ÖRR zu reformieren? Vermutlich nicht, denn sie profitieren vom Status quo. Zumal in der Kulisse das Verfassungsgericht lauert. Es verteidigt seine Erfindung der dualen Rundfunklandschaft, obwohl die digitale Revolution die Medienpolitik des 20. Jahrhunderts längst obsolet gemacht hat.
Da hat es die Schweiz besser. Ein Komitee möchte mit einer Initiative die Rundfunksteuer halbieren. Wie in Deutschland schart sich in der Schweiz eine Mehrheit des Parlaments reflexartig um die halbstaatlichen Sender, die in der Pandemie für ihre unkritische Wiedergabe der Regierungspositionen gescholten wurden. Auch helvetische Politiker wissen, was sie an ihrem Transmissionsriemen ins Volk haben. Der grosse Unterschied zu Deutschland: Die direkte Demokratie macht der Politik Beine.
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