Ihren Namen haben sie sich verdient: Geierfonds. Sie beginnen zu kreisen, wenn ein Staat sich überschuldet hat und der Offenbarungseid droht. Dann stoßen sie vom Himmel herab, eignen sich Staatsanleihen und andere Wertpapiere zu Spottpreisen an und setzen die Länder unter Druck, um ihre Anleihen noch mit einem Gewinn loszuwerden. Diese besondere Spezies von Finanzinvestoren hat den Zorn einer merkwürdigen Allianz auf sich gezogen: Dritte-Welt-Gruppen klagen sie genauso an wie die G8-Regierungen.

Die Geierfonds kamen schon beim Treffen der G8-Finanzminister in Potsdam zur Sprache, und beim kommenden Gipfeltreffen der Regierungschefs in Heiligendamm werden sie wohl noch einmal ein Thema sein. Im amerikanischen Unterhaus war gerade erst von »moralisch abstoßendem« Verhalten die Rede, der Pariser Club der wichtigsten Gläubigerstaaten sprach gerade von »Trittbrettfahrern der Schuldenerlasse«. Kein Wunder, denn der internationale Politiktrend geht dahin, Schulden zu erlassen, statt sie einzutreiben: Spätestens seit dem sogenannten G8-Entschuldungsgipfel in Köln im Jahre 1999 sind die Weltbank, der Internationale Währungsfonds und viele Staatschefs dazu verpflichtet, hoch verschuldeten Entwicklungsländern milliardenschwere Verbindlichkeiten zu erlassen.

Einerseits, um ihnen einen Neuanfang ohne erdrückende Zins- und Tilgungslasten zu ermöglichen, andererseits als Eingeständnis, dass großzügige Kapitalgeber die Schuldenkrisen in den armen Ländern selbst mit verursacht haben. Dritte-Welt-Aktivisten hatten das immer schon so gesehen und fordern noch mehr. Etwa die Kampagnenorganisation erlassjahr.de aus Düsseldorf, die zum G8-Gipfel 1000 knallrote Luftballons loslassen will – voller Unterschriften für weitere Schuldenerlasse. »Entwicklung braucht Entschuldung« lautet das Motto der Gruppe.

So wohlmeinend solche Appelle an die Regierungschefs der G8 auch sein mögen: Das nervenaufreibendste Problem für viele verschuldete Länder sind inzwischen nicht die staatlichen Gläubiger, sondern private Anleger. Das fängt mit Leuten wie Stefan Engelsberger an, der nach eigenem Bekunden viel Geld beim Staatsbankrott in Argentinien verloren hat. Die Schuldverschreibungen des südamerikanischen Landes hatte er seinerzeit recht billig bekommen, denn an den Finanzmärkten rechneten damals schon viele mit Problemen.

2001 war das Land quasi zahlungsunfähig, und 2005 nahmen immerhin 80 Prozent der Gläubiger ein harsches Umtauschangebot der argentinischen Regierung an. Nur noch etwa 30 Prozent des Papierwerts seiner Original-Anleihen würde er erhalten. Engelsberger schlug sich auf die Seite jener 20 Prozent von Anlegern, die ablehnten und ein besseres Angebot forderten. Daraufhin hat er eine Lobby- und Beratungsgruppe namens Interessengemeinschaft Argentinien gegründet, die das Land zu einer Rückzahlung dieser letzten Schulden drängen soll.

Ein anderer deutscher Kleinanleger, Rolf Koch, ging noch weiter. Die Leute bei erlassjahr.de haben ihm im Jahr 2005 den »Hai des Jahres« verliehen, was »stellvertretend für die 20 Prozent der Gläubiger, die das Umschuldungsangebot Argentiniens ablehnen«, sein sollte. Rolf Koch hat es sich zum Ziel gesetzt, der argentinischen Regierung mit Klagen zu Leibe zu rücken und »schikanös« pfänden zu lassen, was immer den Gerichtsvollziehern in die Hände gelangt.

Von erbosten Anlegeraktivisten reicht das Spektrum hin bis zu jenen vulture funds , den Geierfonds, die überhaupt erst ins Geschäft einsteigen, wenn der Schaden da ist und die Anleihen für Bruchteile ihrer Ausgabepreise zu haben sind. Dann ziehen sie vor Gericht, dann mobilisieren sie einflussreiche Politiker ihrer Heimatländer gegen die verschuldeten Staaten.

Spekulationsgeschäfte mit Not leidenden Staatsanleihen sind in Mode. In einer Untersuchung vom Herbst 2006 zählte der Internationale Währungsfonds 44 laufende Klagen gegen Länder wie Nicaragua, Uganda oder Äthiopien. Manche Kläger sind Anlagefonds, die auf einer karibischen Insel registriert sind, und ihre Hintermänner sind manchmal politisch hervorragend vernetzte Leute wie der New Yorker Finanzier Paul Singer, ein Rekord-Wahlkampfspender für George W. Bush.

In einigen Fällen operieren die Fonds so aggressiv, dass sie – wie im Kongo – schon westliche Ölkonzerne in den USA verklagt haben, um deren Zahlungen in das afrikanische Land zu pfänden. Ihre Gewinne können legendär hoch ausfallen: Das war schon beim ersten großen Auftritt eines Geierfonds so, 1996, als Singer das Land Peru zu einer Zahlung von 58 Millionen Dollar zwang – zwar hatte er nur peruanische Schuldtitel für 11 Millionen Dollar gekauft, aber dann bekam er auch noch Zinsen und Anwaltskosten in horrender Höhe erstattet. Denn Singer konnte damit drohen, peruanische Zahlungsströme im Ausland vom Gerichtsvollzieher einfrieren zu lassen.

Ein Investmentfonds namens Donegal bekam kürzlich 17 Millionen Dollar von dem hoch verschuldeten Land Sambia zugesprochen, wo zugleich auch Kinder verhungern und dem die internationale Staatengemeinschaft wegen seiner Armut einen Großteil seiner Schulden erlassen hat. Zwar wird wegen dieser Schuldenrückzahlung kaum ein Kind mehr verhungern – die Summe ist auch für Sambia klein, und das Land nimmt neue Kredite auf. Doch schlimmer könnten die Auswirkungen werden, wenn die Zahl der Kläger und die Höhe der Summen künftig steigt: Weltweit sind – nach Schätzungen von Anti-Schulden-Kampagnen – Forderungen über etwa 500 Millionen Dollar vor Gerichten anhängig, fast vier Milliarden könnten noch eingetrieben werden.