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die Commerzbank als unabhängiges Finanzinstitut schreibt derzeit am Schlusskapitel ihrer Geschichte. Das einst stolze Geldhaus des deutschen Mittelstandes – das 1870 gegründet wurde und 2007 noch 1,9 Milliarden Euro Gewinn nach Steuern erwirtschaftete – ist mittlerweile derart ramponiert, dass es zum Spielball der Spekulanten wurde. Der Kurs pro Aktie, der 2000 noch 207 Euro betragen hatte, verlor bis heute 97,53 Prozent und pendelt nun um die Marke von fünf Euro. Mittlerweile sind ein paar Frankfurter Würstchen mit Senf mehr Wert als der Anteilsschein der Commerzbank. |
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Der Staat, der in der Finanzkrise mit 25 Prozent eingestiegen war und seine Anteile auf mittlerweile 15,6 Prozent reduzierte, hat den Abwärtstrend eher beschleunigt als gebremst. Der neue Vorstandschef Manfred Knof konnte dem Konzern bisher keine Impulse geben. Nach Veröffentlichung schwacher Quartalszahlen und einem verhaltenen Ausblick auf das laufende Jahr verbuchte die Commerzbank-Aktie gestern erneut einen Kursrutsch um minus 5,6 Prozent. Analysten der Schweizer Großbank UBS setzten das Kursziel nun auf 4,60 Euro herab und empfehlen, das Papier zu verkaufen. |
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Das Institut plant, brutto 10.000 Stellen abzubauen – vor allem im Geschäft mit Privat- und Unternehmenskunden, die zugleich das Rückgrat der Bank bilden sollen. Die Beendigung unprofitabler Kundenbeziehungen – diese wiederum als Folge von Ideenlosigkeit und Nullzinspolitik – sorgt in Kreisen des deutschen Mittelstands für Empörung. Selbst Millionären werden die Konten mittlerweile gekündigt. In einem Schreiben, das zwei Prokuristen der Bank unterzeichnet haben, heißt es: |
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Eine gegen den Kunden gerichtete Sanierungspolitik kann keine Erfolge bringen. Ein Insider gibt folgende Prognose zu Protokoll: „Die Bank trennt sich massiv von Geschäft. Dadurch gehen Erträge verloren, bei nahezu konstantem Kostenblock. Das Institut wird immer kleiner und schreibt immer größere rote Zahlen.“ Die Versäumnisse reichen weit zurück: 1. Das Investmentbanking, das bei der Deutschen Bank heute wieder die Gewinne treibt, wurde bei der Commerzbank nie wirklich entwickelt. So blieb die Commerzbank ihrer inneren Struktur nach ein Bankhaus des 19. Jahrhunderts. |
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2. Der ausgeschiedene Vorstandschef Martin Zielke hat jahrelang versucht, die Filialen optisch aufzupolieren. Er setzte auf „Flagship-Filialen“, wie er sie nannte, und glaubte: „Ohne Filialen kein Wachstum.“ Damit hielt er an einer Vertriebsstruktur fest, die aus der Zeit vor Erfindung des Internets stammt. Jetzt will man 340 von 790 Filialen schließen, weiß aber nicht, welche. Die Verhandlungen mit dem Betriebsrat laufen noch. |
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3. Das Digitalangebot der Commerzbank ist nicht zeitgemäß. Eine veraltete IT-Infrastruktur und fehlende innovative Finanz-Apps erschweren den Wandel zu einer digitalen Institution. Ohne digitalisierte Prozesse wird die Bank von einem Stellenabbau eher Schaden nehmen und nicht profitieren. Die Zukunft der Bank ist auch deshalb prekär, weil die beiden führenden Köpfe der digitalen Transformation das Institut mittlerweile verlassen haben: Roland Boeckhout leitete sieben Jahre lang erfolgreich die deutsche Online-Bank ING-DiBa und wäre der Mann gewesen, der den großen Sprung von der Filialstruktur zum modernen Digital-Institut hätte schaffen können. Er gehörte seit Januar 2020 dem Commerzbank-Vorstand an und war nach Ansicht vieler Insider die logische Wahl für die Zielke-Nachfolge. Doch der Aufsichtsrat entschied sich gegen ihn, woraufhin Boeckhout die Bank verließ. Der KI-Experte Kerem Tomak kam aus den USA, hatte bei Google gelernt und als Chief Digital Marketing and Analytics Officer bei der Sears Holdings gearbeitet. Er sollte das Big Data Geschäft der Commerzbank aufbauen und mithilfe der künstlichen Intelligenz neue Produkte und Prozesse innerhalb der Bank organisieren. Er baute ein 300-köpfiges Team auf und hat mittlerweile ebenfalls die Bank verlassen. Er musste erkennen: Hier hat die Zukunft kein Zuhause. Fazit: Fehlender unternehmerischer Elan der Manager und ein Staat, der als großer Konservator wirkt, haben die Commerzbank auf dem Gewissen. Das Geldhaus wird derzeit nicht saniert, nur verkaufsfertig gemacht. Das Wertvollste sind ihre Kunden. |
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