Wir müssen uns alle warm anziehen, und im Zweifel heißt die Losung doch „Frieren für den Weltfrieden
Nord-Stream-Pipeline (Foto: AFP)
in die Debatte des Westens über einen Lieferstopp für russisches Gas und Öl greift die Regierung des Aggressors Wladimir Putin mit einem eigenen Vorschlag ein. Man habe das „volle Recht“, ein Embargo auf die Durchleitung des Gases durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 anzuordnen, sagte Vize-Ministerpräsident Alexander Nowak über die zu 100 Prozent ausgelastete Leitung. Die Gazprom-Röhren von Nord Stream 2 zwischen dem russischen Wyborg und dem deutschen Greifswald waren nach der Ukraine-Invasion von der Bundesregierung deaktiviert worden. Offenbar hat man in Moskau eine devote Erklärung des Bundeskanzlers als Einladung für eine neue Drohung verstanden. Die Versorgung mit russischer Energie sei, so Olaf Scholz (SPD), „von essenzieller Bedeutung für die Daseinsvorsorge und das tägliche Leben unserer Bürgerinnen und Bürger.“
Diesen Geist atmet auch ein neuer Entwurf für das EU-Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag in Versailles: Danach wollen die 27 Mitgliedsstaaten die „Abhängigkeit von russischen Gas-, Öl- und Kohleimporten schrittweise abbauen”. Dass die Bevölkerung nach einer Handelsblatt-Umfrage mehrheitlich für ein Öl- und Gas-Embargo stimmt, und zwar nicht schrittweise, verschwand im realpolitischen Trockennebel. Jetzt Artikel lesen...
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Veronika Grimm (Foto: dpa)
Italien dagegen will bis zur Jahresmitte die Hälfte der Gasimporte aus Russland definitiv durch Lieferungen aus anderen Quellen ersetzen. Auch die USA planen, auf Energie-Deals mit dem Putin-Regime zu verzichten. Eine klare Position vertritt die Ökonomin Veronika Grimm, Mitglied des wirtschaftlichen Sachverständigenrats, im Interview mit meinem Kollegen Julian Olk.
„Wenn ein Energie-Embargo die Eskalation eindämmen kann und die Ausbreitung von Krieg in Europa unwahrscheinlicher macht, dann sollten wir den Schritt gehen. Lange andauernde kriegerische Auseinandersetzungen in Europa hätten deutlich schwerwiegendere Folgen als der Stopp der Energielieferungen.“
„Für den laufenden Winter reichen die Gasreserven. Die Herausforderung ist der Winter 2022/2023. Wir müssen sofort damit beginnen, die Vorbereitungen zu treffen. Mit Gasimporten aus anderen Ländern, dem Einsatz von Kohlekraftwerken und einem geringeren Verbrauch ist das aber machbar. Es wird herausfordernd und teuer, aber nicht kalt.“
„Deutschland ist glücklicherweise in der Lage, die Folgen eines Importstopps abzufedern. Und es gibt die Ausnahmeregelung der Schuldenbremse, um in Notlagen fiskalischen Spielraum zu haben.“
Übersetzt heißt das: Wir müssen uns alle warm anziehen, und im Zweifel heißt die Losung doch „Frieren für den Weltfrieden.“ Jetzt Artikel lesen...
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